Gemäß § 3 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) ist die Abfindung von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Abfindung von  laufenden Leistungen grundsätzlich verboten. Im Folgenden werden die Fallgruppen aufgeführt, bei denen eine Abfindung zulässig ist.

1.  Abfindung von lediglich vertraglich unverfallbaren Anwartschaften

Das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG gilt nur für gesetzlich unverfallbare Anwartschaften. Die gesetzliche Unverfallbarkeit richtet sich nach § 1b Abs. 1 BetrAVG. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vertraglich eine Unverfallbarkeit zugesichert, ohne dass die gesetzliche Unverfallbarkeit erreicht ist, kann die Versorgungsanwartschaft abgefunden werden. Die Höhe der Abfindung ist dabei frei verhandelbar.

2.  Abfindung im laufenden Arbeitsverhältnis

Die Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft ist gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG nur „im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ unzulässig. Während der aktiven Beschäftigung kann hingegen auch eine bereits gesetzlich unverfallbare Anwartschaft (einvernehmlich) abgefunden werden.  Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Formulierung im Gesetz weit auszulegen ist. Das Abfindungsverbot gilt bereits dann, wenn die Abfindung im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt (BAG, Urteil vom 14. 6. 2005 – 3 AZR 185/04). Ein solcher Zusammenhang ist zum Beispiel anzunehmen, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bereits ausgesprochen ist oder die Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrags über die zukünftige Beendigung des Arbeitsvertrages vereinbart wird.

3. Abfindung bei Nichtüberschreitung der sog. Bagatellgrenze

Sofern die laufende Leistung bzw. die aus der unverfallbaren Anwartschaft resultierende laufende Leistung zur vorgesehenen Altersgrenze die Bagatellgrenze gemäß § 3 Abs. 2 BetrAVG nicht überschreitet, hat der Arbeitgeber ein einseitiges Abfindungsrecht. Die Bagatellgrenze liegt im Jahr 2022 bei monatlich 32,90 Euro (alte Bundesländer) bzw. 31,50 Euro (neue Bundesländer). Ist eine Kapitalleistung vereinbart, liegt die Bagatellgrenze im Jahr 2022 bei 3.948,- Euro (alte Bundesländer) bzw. 3.780,- Euro (neue Bundesländer). Zu beachten ist jedoch, dass gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG eine Abfindung dann unzulässig ist, wenn der Arbeitnehmer von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft Gebrauch macht. Allerdings führt diese Regelung nach der hier vertretenen Auffassung nicht dazu, dass der Arbeitgeber die in § 4 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG bestimmte Jahresfrist abwarten muss, bevor er einseitig abfindet.

4. Abfindungsrecht des Arbeitnehmers bei Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung

Der Arbeitnehmer hat ein einseitiges Abfindungsrecht, wenn er mit einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden ist und ihm die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet worden sind. Dieser Fall kommt in Betracht bei Arbeitnehmern mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die in ihre Heimat zurückkehren. Allerdings ist der Anwendungsbereich gering, da eine Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen ausgeschlossen ist, wenn das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Ein Recht auf freiwillige Versicherung haben alle Versorgungsberechtigten, die in EU-Mitgliedsstaaten oder in Länder zurückkehren, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat.

5. Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers

Bei Insolvenz des Arbeitgebers wird bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7 BetrAVG der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdiente Teil der Versorgungsanwartschaft vom Pensions-Sicherungs-Verein gesichert. Wird das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt, kann der Teil der Versorgungsanwartschaft, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wurde, dann ohne Zustimmung des Arbeitnehmers abgefunden werden, wenn die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wird.

6. Abfindung von vor dem 01.01.2005 erstmals gezahlten laufende Leistungen

Vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) zum 01.01.2005 galt das Abfindungsverbot nicht für laufende Leistungen. In § 30g Abs. 3 BetrAVG ist eine Übergangsregelung bestimmt. Danach findet § 3 keine Anwendung auf laufende Leistungen, die vor dem 01.01.2005 erstmals gezahlt wurden.

Maßgeblich für den Stichtag ist nach Auffassung eines Teils der Fachliteratur die erstmalige Zahlung der originären Stammrente. Dies hat zur Folge, dass ein nach dem 31.12.2004 entstandener Anspruch auf Hinterbliebenenleistung dann noch abgefunden werden kann, wenn dieser auf einer bereits vor dem 01.01.2005 gezahlten Altersrente basiert.

Beispiel: Gemäß der Versorgungszusage erhält der Mitarbeiter ab dem Jahr 2004 eine betriebliche Altersrente in Höhe von 1.000,- Euro monatlich. Im Falle seines Versterbens erhält zusagegemäß seine hinterbliebene Ehefrau eine Witwenrente in Höhe von 60% der Altersrente, also 600,- Euro pro Monat. Der versorgungsberechtigte Mitarbeiter verstirbt in der Rentenbezugsphase im Jahr 2012.

Gemäß der oben erwähnten Literaturauffassung kann der der hinterbliebenen Ehefrau zustehende Anspruch auf  Witwenrente  (einvernehmlich) abgefunden werden. Nach der Gegenauffassung ist die Abfindbarkeit einer Hinterbliebenen eigenständig zu prüfen. Beginnt sie nach dem 31.12.2004, findet § 30g Abs. 3 BetrAVG keine Anwendung. In dem Beispiel wäre nach dieser Gegenauffassung eine Abfindung unzulässig.

7. Abfindung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs

Eine Abfindungsvereinbarung verstößt auch  dann nicht gegen § 3 BetrAVG

wenn sie in Form eines gerichtlichen Vergleichs zur Beendigung eines auch Tatsachenfragen betreffenden  Rechtsstreits geschlossen wird. Als zulässig erachtet hat das Bundesarbeitsgericht zum Beispiel eine Regelung eines in einem Kündigungsschutzverfahren geschlossenen Tatsachenvergleichs, nach welchem die Versorgungsansprüche vollständig ausgeschlossen wurden und stattdessen die Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes erhöht wurde (BAG, Urteil vom 23.08.1994 – 3 AZR 825/93).

 

Wenn Sie Fragen zur Abfindbarkeit von Betriebsrenten oder anderen Problematiken in der betrieblichen Altersversorgung haben, rufen Sie uns einfach an (040 – 371577) oder schreiben und eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne.

Jan Zülch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Spezialist für betriebliche Altersversorgung, Hamburg / Lüneburg

Die Beurteilung, ob sog. „GGF-Zusagen“, also Pensionszusagen an GmbH-Geschäftsführer*, die an der Gesellschaft beteiligt sind, dem gesetzlichen Insolvenzschutz gemäß § 7 ff. BetrAVG unterliegen, kann bei manchen Fallkonstellationen Schwierigkeiten bereiten. Maßgeblich für den gesetzlichen Insolvenzschutz ist, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fällt. Sofern dies der Fall ist, tritt bei Insolvenz der GmbH der Pensions-Sicherungs-Verein a.G. (im Folgenden als „PSV“ bezeichnet) bis zu den in § 7 Abs. 3 BetrAVG bestimmten Höchstgrenzen in die Versorgungsschuldnerstellung der GmbH ein. Fällt der Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes, ist mangels gesetzlichem Insolvenzschutz die Einrichtung eines vertraglichen Insolvenzschutzes anzuraten.

Kein gesetzlicher Insolvenzschutz für Alleingesellschafter und Mehrheitsgesellschafter

Gemäß dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unterfallen auch Nichtarbeitnehmer mit gesellschaftsrechtlicher Beteiligung, denen Versorgungszusagen für eine Tätigkeit für ein Unternehmen erteilt werden, unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes. Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei dem Betriebsrentengesetz um ein Arbeitnehmerschutzgesetz handelt. Daher ist der weite Wortlaut von § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG einschränkend dahingehend auszulegen, dass Versorgungsberechtigte dann von der Geltung des Betriebsrentengesetzes ausgenommen sind, wenn ihre Versorgungsansprüche auf Tätigkeiten beruhen, die sie bei natürlicher Betrachtung für das eigene Unternehmen erbracht haben. Dies trifft auf solche Personen zu, die aufgrund des Umfangs ihrer Unternehmensanteile und ihres Einflusses auf die Gesellschaft mit dieser so sehr verbunden sind, dass sie sie als ihre eigene betrachten können und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Pensionssicherung dem Inhaber eines Einzelunternehmens gleichzustellen sind. Hierunter fallen bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung in erster Linie Alleingesellschafter, die sich als Geschäftsführer selbst eine Pensionszusage gegeben haben. Dies gilt jedoch auch für Mehrheitsgesellschafter, denn auch bei diesen „überwiegt die auf der hohen Kapitalbeteiligung in Verbindung einer entsprechenden Leitungsmacht beruhende Unternehmerstellung die dienstvertragliche Einkleidung seiner Unternehmertätigkeit noch so eindeutig, dass der Charakter von Versorgungsbezügen als Unternehmerlohn gegenüber ihrer rechtlichen Eigenschaft als Betriebsrente ganz in den Vordergrund tritt und den Vergleich mit den gesetzlich nicht gesicherten Einnahmen eines Einzelkaufmanns nahe legt“ (BGH, Urteil vom 28.04.1980 – II ZR 254/78).

Minderheitsgesellschafter

Gesellschafter-Geschäftsführer mit Beteiligungsquoten unterhalb von 50 % unterfallen hingegen grundsätzlich dem Geltungsbereich des BetrAVG. Sie haben in der Regel nicht eine so überragende Stellung, dass sie das Unternehmen, für das sie arbeiten, als ihr eigenes betrachten. Allerdings sind solche Gesellschafter-Geschäftsführer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung vom Schutz des Betriebsrentengesetzes ausgenommen, die zwar nicht selbst die Mehrheit der Geschäftsanteile an der GmbH halten, diese aber zusammen mit anderen zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern erreichen, sofern mit diesen Gesellschafter-Geschäftsführern eine gleichgerichtete Interessenlage besteht. Eine gleichgerichtete Interessenlage ist insbesondere anzunehmen, wenn die betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer zeitgleich eine Pensionszusage im Umfang ihrer individuellen Beteiligungsquote erhalten. Trotz einer solchen Konstellation nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fallen Gesellschafter-Geschäftsführer, deren Beteiligung gänzlich unbedeutend ist. Hiervon ist auszugehen, wenn ihr Gesellschaftsanteil 10 % nicht übersteigt.

Gesellschaftsanteil von genau 50 %

Lange Zeit gab es zu der Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der zu genau 50 % an der Gesellschaft beteiligt ist, unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fällt, keine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung. Erst mit Urteil vom 01.10.2019 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in einer solchen Konstellation der Gesellschafter-Geschäftsführer keine arbeitnehmerähnliche Person ist und nicht dem Schutz des Betriebsrentengesetzes unterfällt (BGH, Urteil vom 01.10.2019 – Az. II ZR 386/17). Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer 50 %igen kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung blockieren könne. Dies reiche aus, um eine hinreichende Leitungsmacht im Unternehmen anzunehmen, so dass der Gesellschafter-Geschäftsführer für das Unternehmen nicht als fremdes, sondern als eigenes tätig wird; er habe nämlich eine deutlich einflussreichere Stellung im Unternehmen als ein Arbeitnehmer.

Übersicht

Nachstehend sind die denkbaren Fallkonstellationen für die Frage des gesetzlichen Insolvenzschutzes eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH aufgeführt.

GesellschaftsanteilInsolvenzschutz gemäß §§ 7 - 15 BetrAVG?
mehr als 50%NEIN
genau 50%NEIN
weniger als 50%, aber mehr als 10%Grundsätzlich JA. Ausnahme: Zusammen mit Mitgesellschafter-Mitgeschäftsführern werden mindestens 50% der Anteile gehalten und es besteht eine gleichgerichtete Interessenlage
nicht mehr als 10%JA

Voraussetzungen für die Leistungspflicht des PSV

Sofern der Gesellschafter-Geschäftsführer unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fällt, sind laufende Leistungen und gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaften aus einer Pensionszusage durch den PSV insolvenzgesichert. Folgende Sicherungsfälle begründen eine Leistungspflicht des PSV:

  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
  • außergerichtlicher Vergleich des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens (mit Zustimmung des PSV)
  • vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlich fehlender Insolvenzmasse

Neben der unmittelbaren Versorgungszusage (Direktzusage) ist auch eine mittelbare Versorgungszusage über eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds insolvenzgesichert. Darüber hinaus kann bei Vorliegen bestimmter Umstände auch eine mittelbare Versorgungszusage über eine Direktversicherung insolvenzgesichert sein – zum Beispiel, wenn im Direktversicherungsvertrag lediglich ein unwiderrufliches oder eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht bestimmt ist. Ab Inkrafttreten der Änderung von § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG zum 01.01.2022 haftet der PSV auch dann, wenn eine mit der Versorgung beauftragte (regulierte) Pensionskasse insolvent wird oder Leistungskürzungen vornimmt und bei dem daher gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstandspflichtig gewordene Arbeit-geber später ein Sicherungsfall gemäß § 7 BetrAVG eintritt.

Da es sich bei der Mitgliedschaft im PSV um eine gesetzliche Pflichtversicherung handelt, ist die Einstandspflicht des PSV unabhängig von der Beitragszahlung. Der PSV muss also auch dann Insolvenzschutz gewähren, wenn er keinerlei Beiträge vom Arbeitgeber erhalten hat. Andersherum kann durch eine freiwillige Beitragszahlung auch kein gesetzlicher Insolvenzschutz bewirkt werden (BAG, Urteil vom 11.11.2014 – 3 AZR 404/13).

Haben Sie Fragen zum Insolvenzschutz einer Pensionszusage an einen Gesellschafter-Geschäftsführer? Wir beraten Sie gerne. Rufen Sie uns gerne an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Eine Übersicht zu den wichtigsten Fakten zur „GGF-Zusage“ finden Sie in unserem Beitrag „Die GGF-Versorgung – ein kurzer Überblick“.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg

* Selbstverständlich gelten die Ausführungen in diesem Beitrag in gleicher Weise für Gesellschafterinnen-Geschäftsführerinnen, auch wenn im Folgenden der Begriff „Gesellschafter-Geschäftsführer“ verwendet wird. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf geschlechtsspezifische Doppelnennungen verzichtet.

 

Scheidet ein Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung zugesagt worden ist, vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Unternehmen aus, gilt gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 BetrAVG für die Ermittlung der Höhe der Anwartschaft grundsätzlich das sog. Quotierungsprinzip. Seit der zum 24.06.2020 in Kraft getretenen Gesetzesänderung gilt jedoch bei Erfüllung der in § 2 Absatz 2 Satz 2 BetrAVG bestimmten Voraussetzungen statt des Quotierungsprinzips standardmäßig die sog. versicherungsförmige Lösung – also auch dann, wenn der Arbeitgeber diese gar nicht verlangt hat (BGBl. Teil I Nr. 28 vom 23.06.2020, S. 1271). Durch die versicherungsförmige Lösung werden Ergänzungsansprüche des Arbeitnehmers vermieden. Ausweislich der Gesetzesbegründung gilt die versicherungsförmige Lösung standardmäßig auch für Fälle, in denen der Arbeitnehmer vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung ausgeschieden ist. Dies würde jedoch nach hiesiger Auffassung einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstellen. Bei einem Eingreifen des Gesetzgebers in bereits abgeschlossene Sachverhalte liegt nämlich eine sog. echte Rückwirkung vor. Eine echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig. Die vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze liegen nicht vor (vgl. zu den Ausnahmen: BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08). Dies hat zur Folge, dass die versicherungsförmige Lösung in Fällen, in welchen der Arbeitnehmer vor dem 24.06.2020 beim Unternehmen ausgeschieden ist,  nur dann anzuwenden ist, wenn sie vom Arbeitgeber gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 BetrAVG in der bis zum 23.06.2020 geltenden Fassung verlangt worden ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 19.05.2016 (Az. 3 AZR 794/14) Stellung zu den genauen Voraussetzungen der versicherungsförmigen Lösung genommen. Insbesondere hat das BAG in seinem Urteil entgegen der Auffassung der Vorinstanz (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.10.2014, Az. 5 Sa 82/14) entschieden, dass das Verlangen der versicherungsförmigen Lösung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann vom Arbeitgeber wirksam erklärt werden kann, wenn es in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht.

Das Quotierungsprinzip

Bei Zusagen über eine Direktversicherung gilt gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 BetrAVG grundsätzlich das Quotierungsprinzip (auch „arbeitsrechtliche Lösung“ genannt). Nach dem Quotierungsprinzip wird im ersten Schritt die Leistung bestimmt, auf die der Arbeitnehmer nach Maßgabe des Direktversicherungsvertrages Anspruch hätte, wenn er nicht vorzeitig ausgeschieden wäre. In einem zweiten Schritt ist diese Leistung dann mit dem Quotienten aus tatsächlicher Betriebszugehörigkeit und möglicher Betriebszugehörigkeit zu multiplizieren. Soweit der gemäß dem Quotierungsverfahren ermittelte Betrag bei Eintritt des Versorgungsfalls über die Leistung aus dem Versicherungsvertrag hinausgeht, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung der Differenz (sog. Ergänzungsanspruch).

Die versicherungsförmige Lösung

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG in der bis zum 23.06.2020 geltenden Fassung tritt nur auf Verlangen des Arbeitgebers und bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen an die Stelle des nach dem Quotierungsverfahren berechneten Anspruchs „die von dem Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrages zu erbringende Versicherungsleistung“. Nach dieser versicherungsförmigen Lösung (auch „versicherungsrechtliche Lösung“, „versicherungsvertragliche Lösung“ und „Ersatzverfahren“ genannt) wird der ausgeschiedene Arbeitnehmer so behandelt, als wäre der Direktversicherungsvertrag zum Ausscheidezeitpunkt beitragsfrei gestellt und bis zum Eintritt des Versicherungsfalls aufrechterhalten worden. Auch im Durchführungsweg Pensionskasse ist die versicherungsförmige Lösung möglich (§ 2 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG). Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wird in diesem Artikel jedoch nur auf die versicherungsförmige Lösung bei Versorgungszusagen über eine Direktversicherung eingegangen.

Voraussetzungen für die versicherungsförmige Lösung

Unter den folgenden Voraussetzungen wird zur Ermittlung der unverfallbaren Anwartschaft statt dem Quotierungsverfahren die versicherungsförmige Lösung angewandt:

  1. Spätestens drei Monate seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers ist das Bezugsrecht des Arbeitnehmers unwiderruflich.
  2. Die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag sind weder durch den Arbeitgeber abgetreten noch ist der Versicherungsvertrag vom Arbeitgeber beliehen worden.
  3. Es sind keine Beitragsrückstände vorhanden. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers angefallenen Beitragsverpflichtungen des Arbeitgebers – in der Regel durch Erfüllung – erloschen sind.
  4. Vom Beginn der Versicherung an, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit an, wird die Überschussbeteiligung gemäß dem Versicherungsvertrag vollständig zur Verbesserung der Versicherungsleistung zu verwenden. Wird die Überschussbeteiligung nur zu einem geringen Teil anders verwendet, etwa zur Beitragssenkung durch Verrechnung der Überschussanteile mit den Versicherungsbeiträgen, ist die Wahl der versicherungsförmigen Lösung unzulässig.
  5. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer hat gemäß dem Versicherungsvertrag das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen. Da das Fortsetzungsrecht für den Arbeitnehmer durch das Versicherungsunternehmen eingeräumt sein muss, kann als Ort der Regelung nur der Versicherungsvertrag infrage kommen.
  6. Der Arbeitgeber verlangt die versicherungsförmige Lösung innerhalb von drei Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers gegenüber dem Versicherer und dem Arbeitnehmer. Diese Voraussetzung ist mit Wirkung zum 24.06.2020 entfallen.

Verlangen der versicherungsförmigen Lösung

Die Voraussetzungen gemäß den oben stehenden Ziffern 1 bis 5 (sog. „soziale Auflagen“) sind in den meisten Fällen erfüllt. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer bereits vor dem 24.06.2020 ausgeschieden ist, muss der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung gegenüber dem Versicherer und gegenüber dem Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten verlangen. Die Darlegungs- und Beweislast für das rechtzeitige Verlangen der versicherungsförmigen Lösung trägt der Arbeitgeber. In § 2 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG in der bis zum 23.06.2020 geltenden Fassung heißt es wörtlich: „Der Arbeitgeber kann sein Verlangen nach Satz 2 nur innerhalb von 3 Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers diesem und dem Versicherer mitteilen.“

Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 16.10.2014

Das LAG Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 16.10.2014 (Az. 5 Sa 82/14) entschieden, dass es ausreicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses vorbehaltlos mitteilt, es gelte die versicherungsförmige Lösung. Ein explizites Verlangen im Ausscheidezeitpunkt bzw. innerhalb von drei Monaten seit dem Ausscheiden sei hingegen nicht erforderlich. Vielmehr sei der Zweck der gesetzlichen Vorschrift, dem Arbeitnehmer möglichst Klarheit über die nach dem Ausscheiden entstandene Rechtsposition zu verschaffen, auch dann erfüllt, wenn er bereits im laufenden Arbeitsverhältnis oder sogar bei Vertragsbeginn hierüber informiert wurde.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2016

Im Revisionsverfahren hat das BAG mit Urteil vom 19.05.2016 (Az. 3 AZR 794/14) entschieden, dass das Verlangen der versicherungsförmigen Lösung zwar auch bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann. Erforderlich sei jedoch, dass zum Zeitpunkt des Verlangens bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. Diese Voraussetzung sei zum Beispiel erfüllt, wenn der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder im Rahmen eines Aufhebungsvertrages verlangt.

Zudem müsse das Verlangen zur versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG in der bis zum 23.06.2020 geltenden Fassung nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern auch gegenüber der Versicherungsgesellschaft geäußert werden. Erforderlich sei, dass der Versicherungsgesellschaft bei Ablauf der Dreimonatsfrist bekannt ist, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder bereits ausgeschieden ist und der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung gewählt hat.

Darüber hinaus sei es für das wirksame Verlangen der versicherungsförmigen Lösung notwendig, dass der Arbeitnehmer bei Zugang des Verlangens des Arbeitgebers ohne weiteres und ohne dass es Erkundigungen seinerseits bedarf, die erforderlichen Vertragsdaten wie Versicherungsgesellschaft und Versicherungsvertragsnummer erfahren können muss. Dies könne etwa über einen Anschlag am schwarzen Brett oder eine Mitteilung im Intranet geschehen. Die Möglichkeit, sich die Daten bei der Personalabteilung zu verschaffen, reiche hingegen nicht aus.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des BAG hat für die Praxis in Fällen, in denen der Arbeitnehmer vor dem 24.06.2020 ausgeschieden ist, sehr große Bedeutung. Dies soll anhand des folgenden (vereinfachten) Beispiels verdeutlicht werden.

Einem im Alter von 25 Jahren in das Unternehmen eingetretenen Mitarbeiter wird im Alter von 55 Jahren eine Direktversicherungszusage mit einem monatlichen Versorgungsbeitrag in Höhe von 200 Euro erteilt. Als Altersgrenze ist die Vollendung des 65. Lebensjahres bestimmt. Die einmalig zu zahlende Versicherungsleistung bei Ablauf des Vertrages beträgt 26.000 Euro. Im Alter von 60 Jahren, also 5 Jahre nach Zusageerteilung, scheidet der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen aus. Nach versicherungsmathematischer Berechnung unter Berücksichtigung des Versicherungstarifs beträgt die beitragsfreie Versicherungsleistung zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs 12.500 Euro.

Anspruch nach dem Quotierungsverfahren: Nach dem Quotierungsverfahren gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 BetrAVG beträgt die unverfallbare Anwartschaft des Arbeitnehmers 22.750 Euro (26.000 Euro · 35 Jahre Beschäftigungszeit ÷ 40 Jahre mögliche Beschäftigungszeit). Den von der Versicherungsleistung nicht abgedeckten Teil in Höhe von 10.250 Euro kann der Arbeitnehmer bei Erreichen der Altersgrenze gegenüber seinem (früheren) Arbeitgeber als Ergänzungsanspruch geltend machen.

Anspruch nach der versicherungsförmigen Lösung: Hat der Arbeitgeber im oben beschriebenen Beispiel die versicherungsförmige Lösung wirksam gegenüber dem Arbeitnehmer und dem Versicherungsunternehmen verlangt, kann eine Nachhaftung hingegen nicht eintreten. Vielmehr hat der Arbeitnehmer gemäß der versicherungsförmigen Lösung bei Erreichen der Altersgrenze lediglich Anspruch auf den Wert, der sich aus der „beitragsfrei gestellten“ Versicherung ergibt, im Beispielsfall also auf einen Betrag in Höhe von 12.500 Euro.

Haben Sie Fragen zur betrieblichen Altersversorgung? Wir beraten Sie als unabhängige Rechtsanwaltskanzlei in allen rechtlichen Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Insbesondere überprüfen wir bestehende Versorgungssysteme auf rechtliche Mängel und unterstützen Sie bei der Neueinrichtung/Umstrukturierung der betrieblichen Altersversorgung in Ihrem Hause. Rufen Sie uns gerne an (040 – 371577) oder schreiben Sie uns eine E-Mail.

Jan Zülch, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Spezialist für betriebliche Altersversorgung , Hamburg, Lüneburg

Die Fälle, in denen ein Streit über die betriebliche Altersversorgung gerichtlich geklärt wird, sind in den letzten Jahren häufiger geworden. Dieser Artikel soll einen Überblick geben über Punkte, die bei gerichtlichen Streitigkeiten zur betrieblichen Altersversorgung zu beachten sind.

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Im Folgenden sind die nach unseren Erfahrungen häufigsten Klagen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung aufgeführt:

  • Klage auf Zahlung einer (höheren) Betriebsrente wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Auslegung der zugrunde liegenden Versorgungszusage
  • Feststellungsklage über das Bestehen einer betrieblichen Altersversorgung nach Widerruf der Zusage durch den Arbeitgeber
  • Auskunftsklage über die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft
  • Klage auf Zahlung einer (höheren) Betriebsrente wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
  • Klage auf Zahlung einer Betriebsrente aufgrund betrieblicher Übung
  • Klage auf Feststellung der maßgeblichen Versorgungszusage bei unterschiedlichen Auffassungen über die Wirksamkeit der Ablösung einer Versorgungszusage
  • Klage auf Anpassung der laufenden Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG
  • Klage auf Zahlung eines Ergänzungsanspruchs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die versicherungsförmige Lösung bei Zusagen über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse
  • Klage auf Einhaltung der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung durch den Betriebsrat (im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens)

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts

Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist in den §§ 2 ff. ArbGG abschließend geregelt. Sie ist eine Prozessvoraussetzung, die vom angerufenen Arbeitsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine rügelose Einlassung ist daher nicht möglich. Bei Zweifeln hinsichtlich der Rechtswegzuständigkeit ist zunächst über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden.

Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern* oder ihren Hinterbliebenen und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die Arbeitsgerichte zuständig. Bei Ansprüchen des Arbeitnehmers bzw. seinen Hinterbliebenen gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG anzunehmen.

Klagen gegen Versorgungsträger

Für Klagen von Arbeitnehmern bzw. Betriebsrentnern* gegen Pensionskassen, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen auf Versorgungsleistungen oder Auskünfte gemäß § 4a BetrAVG sind die Arbeitsgerichte zuständig, sofern es sich bei dem Versorgungsträger um eine Sozialeinrichtung des privaten Rechts im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 b ArbGG handelt. Dies ist dann anzunehmen, wenn sich der Versorgungsträger auf die Versorgung von Arbeitnehmern eines konkreten Arbeitgebers oder eines bestimmten Konzerns beschränkt (BAG, Beschluss vom 14.11.2017 – 9 AS 8/17). Die Arbeitsgerichte sind insbesondere dann nicht zuständig, wenn der Versorgungsträger branchenweit tätig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 05.12.2013 – 10 AZB 25/13 und LAG München, Beschluss vom 30.08.20181 SHa 1/18).

Grundsätzlich nicht möglich ist es, Versorgungsträger und Arbeitgeber als Gesamtschuldner zu verklagen (BAG, Urteil vom 13.07.2021 – 3 AZR 298/20). Lediglich wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine Verletzung von Diskriminierungsverboten oder den Gleichbehandlungsgrundsatz stützt, können Arbeitgeber und Versorgungsträger gemeinsam verklagt werden. Auch wenn es sich beim Versorgungsträger um eine Unterstützungskasse handelt, kann grundsätzlich eine Gesamtschuldnerschaft angenommen werden. Umstritten ist allerdings, ob dies auch für von Versicherungsgesellschaften gegründeten Unterstützungskassen gilt.

Wollen Arbeitnehmer oder Betriebsrentner mit einer Versorgungszusage über eine Direktversicherung Ansprüche auf Versorgungsleistungen oder Auskünfte gegenüber dem Lebensversicherungsunternehmen gerichtlich geltend machen, müssen sie vor den ordentlichen Gerichten klagen. Bei Lebensversicherungsunternehmen handelt es sich nämlich nicht um Sozialeinrichtungen des privaten Rechts im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 b ArbGG. Örtlich zuständig sind sowohl das Gericht, in dessen Bezirk die Lebensversicherungsgesellschaft ihren Sitz hat (allgemeiner Gerichtsstand) als auch das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer, also der Arbeitgeber, seinen Sitz hat (besonderer Gerichtsstand gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG, auch anwendbar auf juristische Personen, BGH, Urteil vom 08.11.2017 – IV ZR 551/15). Nach wohl herrschender Auffassung kann der Arbeitnehmer als versicherte Person aufgrund analoger Anwendung von § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG auch an dem Gericht klagen, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.04.2012 – 5 U 196/11; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 215 Rn. 19; Staudinger in: Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 3. Edition, § 215 Rz. 69 ff.).

Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung von Geschäftsführern oder Vorständen

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist nicht gegeben, wenn der Empfänger der Versorgungszusage zum Zeitpunkt ihrer Erteilung eine Organstellung i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG inne hatte (LAG Köln, Beschluss vom 03.01.2011 – Az. 7 Ta 363/10). Bei Streitigkeiten um eine sogenannte Gesellschaft-Gechäftsführer-Versorgung (GGF-Versorgung) sind daher die Arbeitsgerichte grundsätzlich nicht zuständig. Vielmehr sind hierfür die ordentlichen Gerichte, in der Regel die Landgerichte, zuständig. Gleiches gilt beim Vorstand einer Aktiengesellschaft, eines eingetragenen Vereins, einer Stiftung oder einer eingetragenen Genossenschaft sowie beim Director einer englischen Limited.

Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung des PSV

Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern bzw. ihren Hinterbliebenen und dem Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) über Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung gemäß §§ 7 ff. BetrAVG sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig. Da der PSV seinen Sitz in Köln hat, ist für Klagen gegen den PSV das Arbeitsgericht Köln zuständig. Der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG (siehe unten) gilt nicht, da dort ein Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG fehlt.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist hingegen nicht eröffnet bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Arbeitgebern und dem PSV, wenn es um Beitrags-, Mitteilungs- und Auskunftspflichten geht. Vielmehr sind in den Fällen die Verwaltungsgerichte zuständig.

Örtlich zuständiges Arbeitsgericht

Die Zivilprozessordnung, auf welche in § 46 Abs. 2 ArbGG verwiesen wird, unterscheidet zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand, dem besonderen Gerichtsstand und dem ausschließlichen Gerichtsstand. Gemäß § 12 ZPO ist das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Im besonderen Gerichtsstand können nur bestimmte Rechtsstreitigkeiten anhängig gemacht werden. Gilt für eine Klage neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch ein besonderer Gerichtsstand, besteht gemäß § 35 ZPO ein Wahlrechts des Klägers*. Alle zuständigen Gerichte in Deutschland können im Justizportal des Bundes und der Länder abgerufen werden. Für die Richtigkeit der dort gemachten Angaben übernimmt Heldt Zülch allerdings keine Gewähr.

Allgemeiner Gerichtsstand

Der allgemeine Gerichtsstand des Arbeitnehmers richtet sich nach seinem Wohnsitz. Das Gleiche gilt für Arbeitgeber, sofern es sich hierbei um eine natürliche Person handelt. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so hat er seinen allgemeinen Gerichtsstand am Ort des Verwaltungssitzes.

Besonderer Gerichtsstand des Arbeitsortes

Mit Wirkung zum 01.04.2008 ist der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes eingeführt worden. Danach ist für bestimmte Streitigkeiten auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, § 48 Abs. 1a ArbGG. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch Auseinandersetzungen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Als Arbeitsort gilt der Ort, der tatsächlicher Mittelpunkt der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers ist bzw. war. Bei Außendienstmitarbeitern* kommt es auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an. Maßgebend ist der Ort, an dem zeitlich überwiegend tatsächlich eine Tätigkeit ausgeübt wird bzw. wurde. Sofern sich ein solcher Schwerpunkt nicht ermitteln lässt, kann der Wohnort des Arbeitnehmers der Arbeitsort sein, z.B. wenn der Arbeitnehmer seine Wohnung als „Homeoffice“ nutzt bzw. genutzt hat und dort nicht lediglich Folgearbeiten der geschuldeten Hauptarbeitsleistung erbringt bzw. erbracht hat.

Kein besonderer Gerichtsstand bei Klagen gegen Versorgungsträger

Bei mittelbarer Durchführung der betrieblichen Altersversorgung, also bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder über eine Direktversicherung, kann der Arbeitnehmer bzw. frühere Arbeitnehmer grundsätzlich auch den Versorgungsträger verklagen (siehe oben). In dem Fall ist weder der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes noch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO gegeben (LAG Köln, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 1 SHa 11/14). Vielmehr ist das Gericht zuständig, an dem der Versorgungsträger seinen Verwaltungssitz hat. Verklagt der (frühere) Arbeitnehmer jedoch sowohl den (ggf. nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG haftenden) Arbeitgeber als auch den Versorgungsträger, ist bei verschiedenen, für die Streitgenossen zuständigen Gerichten wegen des Zusammenhangs des Rechtsstreits mit dem Arbeitsverhältnis in der Regel davon auszugehen, dass das für den Arbeitgeber zuständige Gericht auch für die Klage gegen den Versorgungsträger zuständig ist (LAG Köln, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 1 SHa 11/14).

Bei Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts: Verweisung auf Antrag oder von Amts wegen?

Hält sich das angerufene Gericht für unzuständig, ist bezüglich der Frage, ob die Sache von Amts wegen verwiesen wird oder ob der Kläger die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht beantragen muss, zu unterscheiden zwischen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit einerseits und fehlender Rechtswegzuständigkeit andererseits.

  • Sachliche oder örtliche Unzuständigkeit: Gemäß § 281 ZPO kann der Kläger die Verweisung an das zuständige Gericht beantragen. Sind mehrere Gerichte zuständig, hat der Kläger ein Wahlrecht. Eine Verweisung von Amts wegen an das zuständige Gericht erfolgt nicht. Beantragt der Kläger nicht die Verweisung des Rechtsstreits an ein zuständiges Gericht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
  • Fehlende Rechtswegzuständigkeit: Hat der Kläger hingegen Klage beim Arbeitsgericht eingereicht, obwohl der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, wird der Rechtsstreit ohne Zutun des Klägers vom Arbeitsgericht durch Beschluss an das zuständige Gericht verwiesen, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Entsprechendes gilt, wenn der Kläger Klage bei einem ordentlichen Gericht (Amts- oder Landgericht) eingereicht hat und das angerufene Gericht der Auffassung ist, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. In dem Fall verweist das angerufene Amts- oder Landgericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Arbeitsgericht.

Klagearten

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung kommen als Klagearten in der Regel nur die Leistungsklage und die Feststellungsklage in Betracht.

Leistungsklage

In einer Leistungsklage begehrt der Kläger die Befriedigung eines nach seiner Auffassung bestehenden Anspruchs. Die Leistungsklage ist auf die Erlangung eines Vollstreckungstitels gerichtet. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung wird mit einer Leistungsklage beispielsweise die Zahlung einer fälligen Betriebsrente oder eines einmaligen Versorgungskapitals oder die Erteilung einer Auskunft über die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft geltend gemacht.

Klage auf wiederkehrende Leistungen

Die Klage auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO ist ein Unterfall der Leistungsklage. Mit ihr können künftig fällig werdende Beträge eingeklagt werden, sofern diese von keiner Gegenleistung abhängen, wie etwa Betriebsrenten. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss dabei nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Feststellungsklage

Es gilt grundsätzlich der Vorrang der Leistungsklage. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitnehmer eine Leistungsklage nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls erheben kann. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist vorhanden, wenn durch die Feststellungsklage eine sachgemäße einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen. Hiervon ist in den meisten Klagen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auszugehen.

Gerichtskosten

Für das gerichtliche Verfahren ermitteln sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert, dem dem Gerichtskostengesetz (GKG) als Anlage 1 beigefügten Kostenverzeichnis und der in § 34 GKG bestimmten Gebührentabelle. Neben den Gerichtsgebühren sind die dem Gericht entstandenen Auslagen zu erstatten.

Entfall der Gerichtsgebühren

Im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten tritt in vielen Fällen eine besondere Kostenprivilegierung ein. So tritt beispielsweise eine vollständige Kostenbefreiung ein, wenn das gesamte Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet worden ist. Ebenfalls keine Kosten fallen an, wenn das Verfahren ohne vorangegangene streitige Verhandlung endet, z.B. durch Zurücknahme der Klage. Die Güteverhandlung gemäß § 54 ArbGG gilt hierbei nicht als streitige Verhandlung.

Gebührenermäßigung

Endet das gerichtliche Verfahren nach streitiger Verhandlung durch Klagerücknahme, durch Anerkenntnisurteil, durch Verzichtsurteil oder durch ein abgekürztes Urteil im Sinne des § 313a ZPO, wird vom Gericht lediglich eine ermäßigte Gebühr erhoben (0,4 statt 2,0 Gebühren). Das Gleiche gilt, bei Abgabe von Erledigungserklärungen durch beide Parteien, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung treffen muss (Nr. 8211 Nr. 3 KV GKG).

Streitwert

Für den Streitwert bei Klagen auf Zahlung einer Betriebsrente bzw. einer höheren Betriebsrente ist die dreifache Jahresrente bzw. die Differenz zwischen begehrter und unstreitiger Betriebsrente in einem Zeitraum über drei Jahre maßgeblich. Dies gilt nicht, wenn der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist, § 42 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 GKG. Gemäß § 42 Abs. 3, Satz 1, Hs. 2 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge nicht dem Streitwert hinzugerechnet.

Beispiel für die Berechnung des Streitwerts
Der Kläger erhält von seinem ehemaligen Arbeitgeber seit dem 01.01.2020 eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 700 Euro. Er ist jedoch der Auffassung, ihm stünde eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 900 Euro zu. In seiner im Mai 2020 erhobenen Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht beantragt er einerseits die Zahlung von rückständiger Betriebsrente für die Monate Januar 2020 bis April 2020 und andererseits die zukünftige monatliche Zahlung der über die derzeitige Betriebsrente hinausgehenden 200 Euro ab Mai 2020.

Ergebnis: Der Streitwert beträgt 7.200 Euro (36 x 200 Euro). Die rückständige Betriebsrente in Höhe von 800 Euro bleibt bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt.

Bei Versorgungszusagen, die auf die Zahlung eines einmaligen Versorgungskapitals gerichtet sind, richtet sich der Streitwert nach der Höhe des verlangten Versorgungskapitals. Bei vor Eintritt des Versorgungsfalls erhobene Feststellungsklagen, ist ein Abschlag gegenüber einer entsprechenden Leistungsklage in Höhe von 30 % vorzunehmen (BAG, Beschluss vom 29.10.20193 AZR 251/17 (A). Bei einer negativen Feststellungsklage, zum Beispiel bei einer Klage, in welcher der Arbeitgeber die Feststellung beantragt, dass ein bestimmter Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nicht bzw. nicht mehr besteht, ist ein Abschlag hingegen nicht vorzunehmen.

Rechtsanwaltskosten

Die Höhe der Rechtsanwaltskosten ergibt sich entweder aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder aus einer gesondert getroffenen Vergütungsvereinbarung. In der Vergütungsvereinbarung kann geregelt sein, dass sich die Vergütung nach dem Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung eines festgelegten Stundensatzes richtet. Möglich ist auch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars. Zu beachten ist jedoch, dass die Gebühren gemäß dem RVG in gerichtlichen Verfahren nicht unterschritten werden dürfen.

Rechtsschutzversicherung

Ist der Mandant bzw. die Mandantin rechtsschutzversichert, ist also im Rechtsschutzversicherungsvertrag des Mandanten Arbeitsrechtsschutz (auch Berufsrechtsschutz genannt) eingeschlossen, trägt die Rechtsschutzversicherung in der Regel die Rechtsanwaltsgebühren gemäß dem RVG (mit Ausnahme einer etwaig vereinbarten Selbstbeteiligung). Darüber hinaus trägt die Rechtsschutzversicherung auch die Gerichtskosten.

Keine Erstattung von Rechtsanwaltskosten

Für die zu tragenden Rechtsanwaltskosten ist es bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Urteilsverfahrens unerheblich, wer den Rechtsstreit gewinnt. Ein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten ist gemäß § 12a ArbGG im ersten Rechtszug ausdrücklich ausgeschlossen.

Berufung vor den Landesarbeitsgerichten

Gegen Urteile der Arbeitsgerichte kann die unterlegene Partei grundsätzlich Berufung beim zuständigen Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen, sofern eine der in § 64 Abs. 2 ArbGG bestimmten Voraussetzungen erfüllt ist:

  • Die Berufung wird in dem Urteil des Arbeitsgerichts ausdrücklich zugelassen.
  • Der Streitwert übersteigt 600 Euro.
  • In dem Rechtsstreit geht es um das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
  • Bei dem Urteil handelt es sich um ein Versäumnisurteil gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, sofern die Berufung bzw. die Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat.

Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach der Urteilsverkündung, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG. Die Berufungsfrist ist eine Notfrist. Sie kann nicht verlängert werden. Die Berufungsbegründungsfrist kann vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt, § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG.

Anwaltszwang

In Rechtsstreitigkeiten vor den Landesarbeitsgerichten müssen sich die Parteien durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Neben Rechtsanwälten kommen als Prozessbevollmächtige noch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in Betracht (§ 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG).

Fachkammern der Landesarbeitsgerichte

Bei einigen Landesarbeitsgerichten, z.B. beim LAG Düsseldorf, beim Hessischen LAG oder beim LAG Hamm sind Fachkammern für den Bereich betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Bei anderen Landesarbeitsgerichten, zum Beispiel beim LAG Hamburg und beim LAG Bremen wird gemäß dem Geschäftsverteilungsplan nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Berufungsverfahren um Fragen der betrieblichen Altersversorgung handelt.

Revision vor dem BAG

Das Bundesarbeitsgericht in ErfurtGemäß § 72 Abs. 1 ArbGG kann die im Berufungsverfahren unterlegene Partei nur dann Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) einlegen, wenn die Revision vom LAG ausdrücklich zugelassen wurde. Hat das LAG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen, kann die betroffene Partei die Nichtzulassung durch Beschwerde beim BAG anfechten (sog. Nichtzulassungsbeschwerde). Sofern die Revision zugelassen wurde oder die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hatte, ist beim BAG die 3. Kammer (der sog. Betriebsrentensenat oder Ruhegeldsenat) zuständig.

Gerne beraten wir Sie zu rechtlichen Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Insbesondere vertreten wir Sie gerne in betriebsrentenrechtlichen Angelegenheiten – sowohl außergerichtlich als auch vor den Arbeitsgerichten. Rufen Sie uns einfach an (040 – 371577) oder schreiben uns eine E-Mail.

* Nur aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf geschlechtsspezifische Mehrfachnennungen verzichtet.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg

Die COVID-19-Pandemie hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. In sehr vielen Branchen fällt wegen der „Corona-Krise“ ein erheblicher Teil der Arbeit weg. Wie schon während der Finanzkrise 2008/2009 kommt es für betroffene Arbeitgeber in Betracht, zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen in ihrem Unternehmen Kurzarbeit einzuführen. Im Folgenden geben wir Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Kurzarbeit.

1. Kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung der Arbeitnehmer Kurzarbeit einführen?

Nein, der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit grundsätzlich nicht im Rahmen seines Direktionsrechts einseitig anordnen (BAG, Urteil vom 14.02.1991 –2 AZR 415/90). Vielmehr ist für die Kurzarbeit die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Möglich ist es jedoch, bereits im Arbeitsvertrag zu bestimmen, dass der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit einführen darf (durch eine sog. „Kurzarbeiterklausel“). Allerdings ist bei Arbeitgebern mit Betriebsrat zu beachten, dass dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Das Recht des Arbeitgebers, Kurzarbeit einzuführen, kann auch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung begründet sein. In einer Dienstvereinbarung kann das Recht des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit hingegen nicht wirksam bestimmt werden, da im BPersVG eine § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entsprechende Norm fehlt.

Ohne rechtliche Grundlage zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit, ist für die Durchführung von Kurzarbeit während der Corona-Krise bei Unternehmen ohne Betriebsrat eine gesonderte Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schließen. Diese Vereinbarung kann zwar mündlich und auch konkludent geschlossen werden, es empfiehlt sich jedoch die Vereinbarung schriftlich oder in Textform zu schließen. Sofern ein Betriebsrat besteht, sollte die Einführung von Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die Betriebsvereinbarung muss die sich aus der Kurzarbeit ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für Arbeitnehmer zuverlässig erkennbar sind (BAG, Urteil vom 18.11.2015 –5 AZR 491/14).

2. Welche Voraussetzungen müssen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld vorliegen?

Nachstehend sind die wichtigsten Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld aufgeführt.

  • Wie oben unter Ziffer 1 erläutert, muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Einführung der Kurzarbeit vereinbart sein (einzelvertraglich oder kollektivvertraglich).
  • Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen. Gemäß § 96 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsausfall erheblich, wenn nachstehen aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sind.
    • Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis.
    • Der Arbeitsausfall ist nur vorübergehend.
    • Der Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar. Der Arbeitsausfall ist beispielsweise dann vermeinbar, wenn ein Arbeitszeitguthaben besteht, keine der in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III bestimmten Fallgruppen erfüllt ist und die Arbeitszeitkonten zur betrieblichen Flexibilisierung der Arbeitszeit begründet wurden. Positive Arbeitszeitsalden stehen der Inanspruchnahme von Kurzarbeit hingegen dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer frei über deren Abbau entscheiden darf.
    • Im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) ist mindestens ein Drittel* der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen.
  • Der Arbeitnehmer muss nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzen.
  • Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzeigen.

* zur gesetzlichen Neuregelung siehe unten Ziffer 8

3. Welche Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Grundsätzlich kann Kurzarbeit nicht für Arbeitnehmer eingeführt werden, die nicht versicherungspflichtig beschäftigt sind.  Dies sind z. B. geringfügig Beschäftigte gemäß § 8 SGB IV (sog. Minijobber) und Werkstudenten. Darüber hinaus erhalten arbeitsunfähige Arbeitnehmer dann kein Kurzarbeitergeld, wenn sie keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung haben. Zudem darf das Arbeitsverhältnis weder (wirksam) gekündigt sein, noch darf ein Aufhebungsvertrag zwischen den Arbeitsparteien geschlossen worden sein.

4. Sind bei der Einführung von Kurzarbeit Fristen zu beachten?

Besteht eine rechtliche Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit, ist die in der Rechtsgrundlage bestimmte Ankündigungsfrist zu beachten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom  19.01.2011 –17 Sa 2153/10). Wird individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass Kurzarbeit eingeführt wird, kann selbstverständlich auch bestimmt werden, dass die Kurzarbeit ab sofort gilt.

5. Gibt es eine Begrenzung bezüglich des Umfangs der Kurzarbeit

Nein, grundsätzlich gibt es hinsichtlich des Umfangs der Kurzarbeit keine Beschränkung. Es ist also auch die Einführung von „Kurzarbeit null“ möglich. Allerdings können in der rechtlichen Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) Einschränkungen bestimmt sein.

6. Wie hoch ist das von der Agentur für Arbeit gezahlte Kurzarbeitergeld?

Das Kurzarbeitergeld beträgt gemäß § 105 SGB III für Arbeitnehmer ohne Kind pauschal 60% und für Arbeitnehmer mit Kind pauschal 67% des entfallenen Nettoentgelts. Zu berücksichtigen sind allerdings nur  Kinder im Sinne von § 32 Abs. 1, 3 – 5 EStG. Maßgeblich ist grundsätzlich die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte.

7. Ist der Arbeitgeber verpflichtet, Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zu leisten?

Eine gesetzliche Zuschusspflicht gibt es nicht. Eine Pflicht zur Zahlung eines Zuschusses kann sich jedoch aus der vertraglichen Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit ergeben. Insbesondere in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen ist oftmals eine Pflicht zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bestimmt.

8. Was ändert sich durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld?

Zunächst hatte der Gesetzgeber beabsichtigt, in dem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ Erleichterungen zur Einführung von Kurzarbeit zu bestimmen. Aufgrund der Corona-Krise sind die Neuregelungen zur Kurzarbeit nun jedoch kurzfristig in einem eigenen Gesetz bestimmt worden – dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld.  Das Gesetz ist am 13.03.2020 verabschiedet und am 14.03.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. I S. 493 f.). Es ist am 15.03.2020 in Kraft getreten.

Gemäß dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld wird die Bundesregierung für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ermächtigt, durch Rechtsverordnung

  • abweichend von § 96 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 SGB III den Anteil der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 % herabzusetzen;
  • abweichend von § 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 SGB III auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden („Minusstunden“) zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise zu verzichten;
  • eine vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, einzuführen;
  • das in § 11 Absatz 4 Satz 2 SGB III geregelte Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Vereinbarung von Kurzarbeit für den Arbeitsausfall und für die Dauer aufzuheben.

Die Bundesregierung hat aufgrund der Corona-Krise von den Verordnungsermächtigungen bereits vollumfänglich Gebrauch gemacht.

Haben Sie Fragen zur Einführung von Kurzarbeit? Melden Sie sich einfach telefonisch oder per E-Mail. Wir unterstützen Sie gerne.

Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, z.B. einer GmbH, die eine beherrschende Stellung in der Gesellschaft haben, sind in den meisten Fällen nicht oder nur unzureichend über die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert. Zur Sicherung des Lebensstandards im Alter kann beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern eine Pensionszusage erteilt werden. Für Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gelten allerdings besondere steuerliche Voraussetzungen. Die Finanzverwaltung prüft in der Regel sehr kritisch, ob die Gesellschaft für die Pensionszusage zu Recht Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz gebildet hat oder ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Dieser Beitrag soll einen Überblick zu einer so genannten GGF-Zusage geben.

I. Wann hat der GGF eine beherrschende Stellung?

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hat eine steuerlich beherrschende Stellung, wenn er die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben kann. 50% der Stimmrechte oder weniger können für die Annahme einer beherrschenden Stellung ausreichen, wenn besondere Umstände hinzutreten, z. B. wenn mehrere Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer mit gleichgerichteter Interessenlage mehr als 50% der Stimmrechte halten. Eine gleichgerichtete Interessenlage ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer zeitgleich eine Pensionszusage erhalten.  Von der beherrschenden Stellung im steuerlichen Sinn zu unterscheiden ist die beherrschende Stellung im arbeitsrechtlichen Sinn.  Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist im arbeitsrechtlichen Sinn beherrschend und somit keine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG, wenn er mindestens 50 % der Geschäftsanteile bzw. der Stimmrechte hält (BGH, Urteil vom 01.10.2019 – II ZR 386/17).

II. Voraussetzungen des § 6a EStG

Bei Erteilung einer unmittelbaren Versorgungszusage darf die Gesellschaft unter den Voraussetzungen von § 6a EStG Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz bilden. Im Folgenden sind die wesentlichen Voraussetzungen von § 6a EStG aufgeführt:

Wirksame Erteilung der Versorgungszusage

Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung nur gebildet werden, wenn und soweit der Versorgungsberechtigte einen Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistungen hat. Hieran kann es zum Beispiel fehlen, wenn der begünstigte Geschäftsführer nicht vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Erteilung einer Versorgungszusage eine Änderung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages darstellt. Für eine solche ist die Gesellschafterversammlung zuständig, sofern es keine anderweitige Zuständigkeit durch Gesetz oder Satzung gibt (BGH, Urteil vom 25.3.1991, Az.: II ZR 169/90). Es ist also für die Erteilung einer Pensionszusage an einen Geschäftsführer grundsätzlich ein Gesellschafterbeschluss erforderlich.

Fehlt der erforderliche Gesellschafterbeschluss oder ist der begünstigte Geschäftsführer nicht vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit, ist die Versorgungszusage schwebend unwirksam. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich keine Pensionsrückstellungen gebildet werden können. Die schwebende Unwirksamkeit wird jedoch geheilt, wenn die Pensionszusage durch Gesellschafterbeschluss nachträglich genehmigt wird bzw. das In-sich-Geschäft nachträglich genehmigt wird. Die nachträgliche Genehmigung hat zur Folge, dass die Pensionszusage als von Anfang an wirksam anzusehen ist (vgl. hinsichtlich nachträglich genehmigter In-sich-Geschäfte z. B. BFH, Urteil vom 15.10.1997 – I R 19/97).

Kein steuerschädlicher Widerrufsvorbehalt

Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darf eine Pensionszusage keinen Widerrufsvorbehalt enthalten, es sei denn, der Widerrufsvorbehalt bezieht sich nur auf Tatbestände, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens ein Widerruf zulässig ist (sog. steuerunschädlicher Vorbehalt). In den Einkommenssteuerrichtlinien sind die steuerunschädlichen Vorbehalte genannt (R 6a Abs. 4 EStR 2005). Allerdings ist zu beachten, dass derartige Vorbehalte in einer Versorgungszusage zwar nicht der Bildung von Rückstellungen gemäß § 6a EStG entgegenstehen, sie zivilrechtlich jedoch nicht über das hinauswirken, was sich ohnehin bereits aus bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Auf die Bestimmung von Widerrufsvorbehalten in einer Pensionszusage kann daher vollständig verzichtet werden.

Schriftform

Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist es erforderlich, dass die Versorgungszusage schriftlich erteilt wurde. Für die Erfüllung des Schriftformerfordernisses reicht es nicht aus, dass die Gesellschafterversammlung die Erteilung einer Versorgungszusage beschlossen und nachher schriftlich dokumentiert hat (BFH, Beschluss vom 20.04.1988 – Az.: I R 129/84). Erforderlich ist vielmehr die Abgabe einer schriftlichen Erklärung gegenüber dem versorgungsberechtigten Geschäftsführer.

Angemessenheit der Versorgungshöhe

Die in der Pensionszusage bestimmte Altersrente muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Aktivbezügen des Versorgungsberechtigten stehen. Sowohl die Finanzgerichte als die Finanzverwaltung wenden für die Angemessenheitsprüfung die so genannte 75 %-Grenze an. Danach wird eine Überversorgung angenommen, wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit einer etwaigen Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt (BFH, Urteil vom 20.12.2016, Az. I R 4/15). Für den Fall, dass die 75%-Grenze überschritten wird, werden die für den die Grenze übersteigenden Teil gebildeten Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz nicht anerkannt. Maßgeblich bei der Prüfung der Angemessenheit der Versorgungshöhe sind jeweils die Bruttobeträge.

III. Verdeckte Gewinnausschüttung

Gemäß der auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes basierenden Definition in den Körperschaftsteuerrichtlinien (R 36 (1) KStR 2004) ist eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG „eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht.“ Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung hat sich folglich das Betriebsergebnis gemäß der Steuerbilanz nur deshalb verschlechtert, weil eine an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendung unzulässigerweise steuerlich als Betriebsausgabe geltend gemacht worden ist. Die Konsequenz einer verdeckten Gewinnausschüttung ist, dass die unerlaubte Zuwendung dem Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft außerhalb der Steuerbilanz wieder hinzugerechnet wird (BMF-Schreiben vom 28.05.2002 – IV A 2 – S 2742 – 32/02). Allerdings ist auf Seiten der Gesellschaft diese außerbilanzielle Korrektur nur für noch nicht bestandskräftige Veranlagungszeiträume vorzunehmen. Wird etwa im Falle einer Betriebsprüfung festgestellt, dass die Pensionszusage keine ernsthafte Vereinbarung darstellt, die Zuführung zur Pensionsrückstellung folglich in voller Höhe als verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist, können die bestandskräftigen Veranlagungszeiträume nicht mehr geändert werden.

Beim betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer treten die Auswirkungen einer verdeckten Gewinnausschüttung erst bei Eintritt des Versorgungsfalls ein. Der Teil der Versorgungsleistungen, der gesellschaftlich veranlasst war, stellt dann Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar – für welche Abgeltungssteuer anfällt. Die Auswirkungen beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer sind dabei unabhängig davon, ob bzw. in welchem Umfang bei der Gesellschaft eine außerbilanzielle Korrektur wegen der verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt ist.

Im Folgenden sind die wichtigsten Kriterien für die Frage erläutert, ob die Erteilung der Pensionszusage betrieblich oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Hierbei hat die Vornahme eines Fremdvergleichs erhebliche Bedeutung. Anhand des Fremdvergleichs wird festgestellt, ob die Erteilung der Pensionszusage üblich ist.

Nachzahlungsverbot

Eine gesellschaftliche Veranlassung und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung ist anzunehmen, wenn der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft eine rückwirkende Vergütung erhält, also eine Vergütung für bereits geleistete Dienste. Durch dieses Nachzahlungsverbot (oftmals auch Rückwirkungsverbot oder Nachholverbot genannt) soll verhindert werden, dass sich der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer erst nach Feststellung eines positiven Geschäftsergebnisses eine Vergütung zuwendet und diese dann als Betriebsausgabe geltend macht, um den Gewinn der Gesellschaft zu mindern. Bei der Erteilung einer Pensionszusage liegt ein Verstoß gegen das Nachzahlungsverbot vor, wenn Dienstzeiten vor Erteilung der Pensionszusage bei der Höhe der Versorgung berücksichtigt werden. Pensionszusagen werden mithin steuerlich nur anerkannt, wenn sie künftig erdienbar sind. Dies ist insbesondere auch bei Regelungen zur unverfallbaren Anwartschaft zu berücksichtigen (vgl. unten zu Unverfallbarkeit).

Personenbezogene Probezeit

Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH muss zunächst regelmäßig eine Probezeit durchlaufen, bevor er eine steuerlich anerkannte Pensionszusage erhalten kann. Begründet wird die Erforderlichkeit einer Probezeit bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer damit, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sich zunächst eine angemessene Zeit nehmen würde, um die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Geschäftsführers zuverlässig beurteilen zu können (BFH, Urteil vom 30.09.1992 – Az.: 1 R 75/91). Die Dauer der Probezeit hängt vom Einzelfall ab. Die Finanzverwaltung geht von zwei bis drei Jahren aus (BMF-Schreiben vom 14.12.2012, Gz. IV C 2 – S 2742/10/10001). Sofern der Gesellschafter-Geschäftsführer schon vor Diensteintritt seine Fähigkeiten hinreichend nachgewiesen hat, ist eine Probezeit allerdings nicht erforderlich.

Unternehmensbezogene Probezeit

Eine unternehmensbezogene Probezeit ist dann zu beachten, wenn eine neu gegründete Kapitalgesellschaft einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage erteilen will. Die Finanzverwaltung geht von einer 5-jährigen Probezeit aus. Dies sei der Zeitraum, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft benötigt, die künftige wirtschaftliche Entwicklung und damit die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft zuverlässig abzuschätzen (BMF-Schreiben vom 14.12.2012, IV C 2 – S 2742/10/10001). Eine unternehmensbezogene Probezeit kann jedoch entbehrlich sein, wenn das Unternehmen lediglich sein „Rechtskleid“ geändert hat (BFH, Urteil vom 29.10.1997, Az.: I R 52/97).

Erdienbarkeit

Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ist, dass der Geschäftsführer die Pensionszusage noch „erdienen“ kann. Hierfür ist die Erfüllung einer Erdienbarkeitsfrist von mindestens 10 Jahren erforderlich. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die in der Pensionszusage bestimmte Altersgrenze die Vollendung des 70. Lebensjahres nicht übersteigen darf. Hieraus folgt, dass einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage nicht nach Vollendung seines 60. Lebensjahres erteilt werden darf. Hieran ändern auch weder die gestiegene Lebenserwartung noch die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre nichts (BFH, Urteil vom 11.9.2013 – Az.: 1 R 26/12). Die 10-jährige Erdienbarkeitsfrist ist nicht nur bei der Neuerteilung einer Zusage zu beachten, sondern auch bei der Erhöhung einer bestehenden der Zusage (BFH, Urteil vom 23.09.2008, Az.: I R 62/07).

Mindestaltersgrenze

Gemäß BMF-Schreiben vom 9.12.2016 (Gz. IV C 6 – S 2176/07/10004 :003) ist grundsätzlich zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung in der Pensionszusage zu bestimmen, dass die Versorgungsleistungen nicht vor Vollendung des 67. Lebensjahres in Anspruch genommen werden dürfen. Bei Pensionszusagen, welche zum 9.12.2016 bereits bestanden haben, darf die Altersgrenze nicht unter 65 Jahren liegen. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern, welche schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX sind, liegt gemäß dem BMF eine angemessene Altersgrenze bei mindestens 62 Jahren bzw. bei mindestens 60 Jahren (wenn die Pensionszusage zum 9.12.2016 bereits bestanden hat). Ausführlicher ist die Altersgrenzen-Problematik in unserem Artikel Mindestaltersgrenzen bei GGF-Zusagen dargestellt.

Finanzierbarkeit

Weitere Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ist, dass die Zusage zum Zeitpunkt ihrer Erteilung „finanzierbar“ ist. Erforderlich ist also, dass die Pensionszusage von der Gesellschaft wirtschaftlich getragen werden kann. Gemäß Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.12.2000 (Az.: 1 R 15/00) ist eine Versorgungszusage dann nicht finanzierbar, wenn die Passivierung des Barwerts der Pensionsverpflichtung zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der Gesellschaft führen würde. Für die Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung sind diejenigen Bilanzansätze maßgeblich, die in eine Überschuldungsbilanz aufzunehmen wären. Dabei ist die Pensionsverpflichtung grundsätzlich mit dem nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG zu bestimmenden Barwert der Pensionsanwartschaft anzusetzen. Sofern die GmbH jedoch nachweist, dass der handelsrechtlich maßgebliche Teilwert der Pensionsverpflichtung niedriger ist als der Anwartschaftsbarwert, so ist dieser Teilwert anzusetzen (BFH, Urteil vom 4. 9. 2002 – Az.: I R 7/01).

Üblichkeit

Ob eine Pensionszusage zu Gunsten eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, hängt grundsätzlich insbesondere davon ab, ob und inwieweit die Pensionszusage „üblich“ ist. Hierbei kommt es nicht nur auf die inhaltliche Ausgestaltung der Pensionszusage an, sondern auch auf die Frage, ob es üblich ist, dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu dem fraglichen Zeitpunkt überhaupt eine Pensionszusage zu erteilen. Die Frage der Üblichkeit wird anhand eines Fremdvergleichs beantwortet. Es ist zu prüfen, ob einem Fremdgeschäftsführer unter ansonsten gleichen Bedingungen eine solche Pensionszusage erteilt worden wäre. Sofern es einen vergleichbaren Fremdgeschäftsführer gibt, kann ein konkreter Fremdvergleich vorgenommen werden. Andernfalls ist ein sogenannter hypothetischer Fremdvergleich anzustellen.

Unverfallbarkeit

Bei einer Unverfallbarkeitsregelung dem Grunde nach dürfen aufgrund des Nachzahlungsverbots für Dienstzeiten des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers vor der Zusageerteilung nicht berücksichtigt werden. Allerdings ist die Bestimmung einer sofortigen Unverfallbarkeit in einer Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zulässig (BFH, Urteil vom 5.3.2008 – Az.: I R 12/07). Hinsichtlich der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft ist bei einer Leistungszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ebenfalls das Nachzahlungsverbot zu beachten. Unzulässig ist eine Regelung, nach der sich die Höhe der unverfallbaren Leistung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG richtet. Grund hierfür ist, dass bei der m/n-tel-Berechnung gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG die gesamte Betriebszugehörigkeit berücksichtigt wird, also auch diejenige Betriebszugehörigkeit vor Erteilung der Pensionszusage. Geboten ist es daher, die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft bei Leistungszusagen an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer dahingehend zu regeln, dass das Verhältnis zwischen tatsächlicher Zusagedauer und möglicher Betriebszugehörigkeit ab Zusagedauer zu berücksichtigen ist (BMF-Schreiben vom 09.12.2002 – IV A 2 – S 2742 – 68/02).

Beendigung des Dienstverhältnisses bei Rentenbeginn

Nach Auffassung der Finanzverwaltung dürfen bereits keine Rückstellungen gemäß § 6a EStG gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles nicht formal beendet ist. Zur Begründung führte die Finanzverwaltung an, dass eine Zusage, nach der Leistungen fällig werden, ohne dass das Dienstverhältnis formal beendet ist, nicht als betriebliche Altersversorgung anzusehen sei (BMF-Schreiben vom 11.11.1999 – IV C 2 – S 2176 – 102/99). Der Bundesfinanzhof hingegen ist zwar nicht der Meinung, dass keine betriebliche Altersversorgung vorliegt, wenn Versorgungsleistungen trotz fortbestehendem Dienstverhältnisses gewährt werden (BFH-Urteil vom 5.3.2008 – Az. IR 12/07). Allerdings vertritt er die Auffassung, ein „ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“ würde verlangen, dass das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung angerechnet wird. Dies habe zur Folge, dass im Falle einer Zusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bei Nichtanrechnung eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.

Rentenanpassung

Bei einer Rentenzusage ist eine Anpassungsklausel steuerlich anzuerkennen, nach welcher die laufenden Leistungen jährlich um 3 % angepasst werden. Zulässig ist auch eine Dynamisierungsklausel, die sich am Verbraucherpreisindex für Deutschland orientiert.

Haben Sie Fragen zur betrieblichen Altersversorgung zugunsten eines Gesellschafter-Geschäftsführers? Wir beraten Sie gerne. Insbesondere überprüfen wir bestehende Pensionszusagen auf rechtliche Mängel und unterstützen Sie bei der Neueinrichtung/Neuordnung sowie bei der Regelung eines steuerlich anzuerkennenden (Teil)-Verzichts. Rufen Sie uns gerne an (040 – 371577) oder schreiben Sie uns eine E-Mail.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wird meistens bei Angestellten mit besonderen Fachkenntnissen und Know-how eingesetzt. Mit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots möchte der Arbeitgeber in der Regel verhindern, dass Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Konkurrenten wechseln, der dann von dem Wissen des Arbeitnehmers profitiert.

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer meistens bereits im Arbeitsvertrag vereinbart. Manchmal wird es jedoch auch nachträglich in einem Aufhebungsvertrag statuiert. Es unterliegt den Vorschriften der §§ 74 ff. HGB, die gemäß § 110 GewO unmittelbar gelten. Eine Vereinbarung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bedarf der Schriftform (§ 74 Abs. 1 HGB).

In vielen Arbeitsverträgen wird ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in etwa wie folgt gestaltet:

„Dem Arbeitnehmer ist es nicht gestattet, 2 Jahre nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht.“

Die vorstehende Regelung ist unwirksam. Denn durch sie wird der Arbeitnehmer in seinem beruflichen Werdegang zu stark eingeschränkt. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss für seine Wirksamkeit so konkret wie möglich ausgestaltet werden.

Die Prüfung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erfolgt dabei stets anhand von zwei Fragen: „Liegt ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vor?“ und „Ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot inhaltlich hinreichend bestimmt?“

Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes Interesse an der Regelung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbot haben. Hieran werden von Seiten der Rechtsprechung geringe Anforderungen gestellt. Nach dem BAG ist ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll (BAG, Urteil vom 01.08.1995 – 9 AZR 884/93). Dies wird bei Arbeitnehmern in gehobeneren Positionen oder mit speziellem Know-how in der Regel angenommen.

Hinreichende inhaltliche Bestimmtheit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

An die inhaltliche Bestimmtheit werden hingegen hohe Anforderungen gestellt. Nach der Rechtsprechung hält ein „nachvertragliches Wettbewerbsverbot […] der vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle nur stand, wenn es in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht auf das notwendige Maß beschränkt bleibt“ (BGH, Urteil vom 04.03.2002, II ZR 77/00).

Gegenständliche Grenze

Bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten, wie oben in der Beispielformulierung, darf dem Arbeitnehmer nur eine bestimmte Art der Tätigkeit verboten werden. Das Verbot darf sich nur auf die Gebiete erstrecken, bei denen er bei seinem früheren Arbeitgeber gearbeitet hat (BAG, Urteil vom 01.08.1995 – 9 AZR 884/93). Es kann also trotz Vereinbarung eines wirksamen Wettbewerbsverbots zulässig sein, wenn der Arbeitnehmer bei einem Wettbewerber in einer anderen Sparte tätig wird (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10.02.1997, 10 SaGa 2269/96). Verboten ist zudem nur die Konkurrenztätigkeit als solche. Der Abschluss eines einzelnen Rechtsgeschäfts, wie etwa die Verpachtung eines Grundstücks an die Konkurrenz, ist noch keine Verletzung des Wettbewerbsverbots.

Das Wettbewerbsverbot gilt auch bei unentgeltlicher Tätigkeit oder bei einem Tätigwerden mittels eines Strohmanns (BGH, Urteil vom 06.07.1970 – II ZR 18/69). Ein vollumfängliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot umfasst auch das Belassen eines zinslosen Darlehens, das der Arbeitnehmer einem Konkurrenzunternehmen, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Zweck seiner Gründung, zur Verfügung gestellt hat (BAG, Urteil vom 07.07.2015 – 10 AZR 260/14).

Zeitliche Grenze

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot darf maximal zwei Jahre umfassen, § 74 a Abs. 3 S. 3 HGB. Der Zeitraum wird nicht durch Unterbrechungen verlängert. Auch eine Verteilung nur auf gewisse Zeitspannen, z. B. bei Messen, führt zu keiner Verlängerung.

Räumliche Grenze

Die räumlichen Grenzen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots richten sich nach dem Tätigkeitsbereich des Gesellschaftsunternehmens. Eine weltweit agierende und im Wettbewerb stehende Gesellschaft kann daher durchaus ein weltweit geltendes Wettbewerbsverbot vereinbaren.

Karenzentschädigung

Zur Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist es nötig, dass sich der Arbeitgeber dazu verpflichtet, an den Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung zu zahlen. Das bedeutet, der Arbeitnehmer bezieht für die Dauer des Verbots ein monatliches Entgelt als Entschädigung dafür, dass er in seinem beruflichen Fortkommen gehindert wird. Die Karenzentschädigung muss dabei mindestens 50 % des Bruttodurchschnittsverdienstes betragen. Erfasst sind sowohl Geldleistungen wie etwa Gehalt, Leistungszulagen, Weihnachtsgeld, Boni, Prämien, Gewinn- und Umsatzbeteiligungen oder Urlaubsgeld, als auch Sachleistungen, wie z.B. der sich aus der Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung ergebende geldwerte Vorteil. Einkünfte aus einem Aktienprogramm, die der Arbeitnehmer von einem Dritten, z. B. einer Konzernobergesellschaft gewährt werden, sind hingegen bei der Berechnung der Karenzentschädigung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 25.08.2022 – 8 AZR 453/21).

Anderweitiger Erwerb wird von der Karenzentschädigung abgezogen. Eine Anrechnung erfolgt allerdings nur ab einem Betrag von mehr als 110 % der Karenzentschädigung. Die Grenze einer Anrechnung des anderweitigen Erwerbs erhöht sich gem. § 74 c Abs. 1 S. 2 HGB auf 125 %, wenn der Arbeitnehmer infolge des Wettbewerbsverbots einen Wohnsitzwechsel vornehmen musste. Bei den Berechnungen werden häufig Fehler gemacht.

Rechenbeispiel 1:

Der Arbeitnehmer verdiente 4.000 € brutto im Monat bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Es wurde ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt gezahlten Leistungen vereinbart, also 2.000 €. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses findet er einen neuen Job in Teilzeit, bei dem er 1.800 brutto verdient.

(a) Bisherige vertragsgemäße Leistungen 4.000 €
(b) 110 % aus (a) = Anrechnungsgrenze 4.400 €
(c) Vereinbarte Karenzentschädigung 2.000 €
(d) Aktueller monatlicher Erwerb 1.800 €

Anrechnungsbeitrag = (c) + (d) – (b)
2.000 € + 1.800 € = 3.800 € – 4.400 € = – 600 €

Im Rechenbeispiel 1 muss sich der Arbeitnehmer keinen anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen.

Rechenbeispiel 2:

Der Arbeitnehmer verdiente 4.000 € brutto im Monat bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Es wurde ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt gezahlten Leistungen vereinbart, also 2.000 €. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses findet er einen neuen Job, bei dem er 3.500 brutto verdient.

(a) Bisherige vertragsgemäße Leistungen 4.000 €
(b) 110 % aus (a) = Anrechnungsgrenze 4.400 €
(c) Vereinbarte Karenzentschädigung 2.000 €
(d) Aktueller monatlicher Erwerb 3.500 €

Anrechnungsbeitrag = (c) + (d) – (b)
2.000 € + 3.500 € = 5.500 € – 4.400 € = 1.100 €

Im Rechenbeispiel 2 muss sich der Arbeitnehmer einen anderweitigen Erwerb in Höhe von 1.100 € auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Nach Anrechnung beträgt die Karenzentschädigung folglich 900 € (2.000 € – 1.100 € = 900 €).

Rechenbeispiel 3:

Der Arbeitnehmer verdiente 4.000 € brutto im Monat bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Es wurde ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt gezahlten Leistungen vereinbart, also 2.000 €. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer 4 Monate arbeitslos und erhält Sozialleistungen in Höhe von 2.400 €. Anschließend findet er einen neuen Job, bei dem er 4.500 € brutto verdient.

Die bezogenen Sozialleistungen werden nicht auf die Karenzentschädigung angerechnet. Deshalb erhält der Arbeitnehmer in den ersten 4 Monaten die volle Karenzentschädigung in Höhe von 2.000 €.

Für die Zeit nach der Arbeitslosigkeit ist folgende Berechnung vorzunehmen:

(a) Bisherige vertragsgemäße Leistungen 4.000 €
(b) 110 % aus (a) = Anrechnungsgrenze 4.400 €
(c) Vereinbarte Karenzentschädigung 2.000 €
(d) Aktueller monatlicher Erwerb 4.500 €

Anrechnungsbeitrag = (c) + (d) – (b)
2.000 € + 4.500 € = 6.500 € – 4.400 € = 2.100 €

Der Arbeitnehmer muss sich im dritten Rechenbeispiel 2.100 € auf die Entschädigungsleistung anrechnen lassen. Da diese nur 2.000 € umfasst, erhält der Arbeitnehmer keine Karenzentschädigung.

Auskunftsanspruch

Damit der Arbeitgeber in Erfahrung bringen kann, wieviel sein ehemaliger Arbeitnehmer bei seinem neuen Arbeitgeber verdient, steht ihm ein Auskunftsanspruch zu (§ 74 c Abs. 2 HGB).

Konsequenz mangelhafter Vereinbarungen

  • Sieht die Vereinbarung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot keine Karenzentschädigung vor, so ist das Wettbewerbsverbot nichtig. In dem Fall kann der Arbeitnehmer keine Karenzentschädigung verlangen.
  • Sieht die Vereinbarung hingegen eine zu niedrige Karenzentschädigung vor, steht dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zu. Er hat die Wahl, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält und die zu niedrige Karenzentschädigung erhält oder ob er das Wettbewerbsverbot nicht einhält. Im letzteren Fall hat er natürlich auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung.
  • Dient das Wettbewerbsverbot nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers oder enthält es (unter Berücksichtigung der gewährten Karenzentschädigung) nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers, ist es unverbindlich. In dem Fall kann der Arbeitnehmer ebenfalls wählen, ob er das unverbindliche Wettbewerbsverbot einhält und damit Anspruch auf die Karenzentschädigung hat oder ob er sich vom Wettbewerbsverbot löst. Löst er sich vom Wettbewerbsverbot kann er selbstverständlich auch keine Karenzentschädigung verlangen.
  • Aufgrund des Wortlauts in § 74 a HGB („insoweit“) kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch teilweise unverbindlich sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn zwar ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers an dem Wettbewerbsverbot anzunehmen ist, das Wettbewerbsverbot jedoch hinsichtlich seiner gegenständlichen, zeitlichen oder räumlichen Begrenzung zu weitgehend ist. In diesen Fällen ist so weit wie möglich eine geltungserhaltende Reduktion des Wettbewerbsverbots auf den verbindlichen Bestandteil vorzunehmen. Auch bei einer solchen teilweisen Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots „hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er sich an die Vereinbarung hält, also Wettbewerb – zurückgeführt auf das zulässige Maß der Beschränkung – unterlässt, und damit ein Anspruch auf die Karenzentschädigung erwirbt, oder ob er in Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber tritt, ohne hierfür wegen der für ihn bestehenden Unverbindlichkeit Sanktionen befürchten zu müssen“ (BAG, Urteil vom 22.03.2017 – 10 AZR 448/15).

Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot

Der Arbeitgeber kann von dem Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen sein nachvertragliches Wettbewerbsrecht die Unterlassung der Konkurrenztätigkeit verlangen und die Zahlung der Karenzentschädigung einstellen. Wenn der Arbeitnehmer das nachvertragliche Wettbewerbsverbots wieder einhält, lebt die Pflicht zur Karenzentschädigung wieder auf.

Um den Erfüllungszwang des Wettbewerbsverbots zu verstärken, kann auch eine Vertragsstrafe vereinbart werden, § 74 c HGB. Ihre Voraussetzungen und ihre Höhe muss hinreichend bestimmt geregelt sein (BAG, Urteil vom 21.04.2005 – 8 AZR 425/04). Die zulässige Höhe ist dabei einzelfallabhängig. Je größer die Gefährdung des Arbeitgebers ist, umso höher kann die Vertragsstrafe sein. Das BAG hat hierzu entschieden, dass eine Vertragsstrafe für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes in Höhe von ein bis drei Monatsgehältern nicht mehr als angemessen angesehen werden kann (BAG, Urteil vom 18.8.2005 – 8 AZR 65/05). Zudem lehnt das BAG bei zu hohen Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen eine geltungserhaltende Reduktion ab (BAG, Urteil vom 04.03.2004 – 8 AZR 196/03).

Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, sich von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot einseitig wieder zu lösen, indem er gegenüber dem Arbeitnehmer auf das Wettbewerbsverbot verzichtet (§ 75a HGB). Ein wirksamer Verzicht hat zur Folge, dass das Wettbewerbsverbot wirkungslos wird. Der Arbeitnehmer muss es folglich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beachten. Darüber hinaus hat ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zur Folge, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung nach Ablauf eines Jahres nach Zugang der Verzichtserklärung beim Arbeitnehmer entfällt. Bleibt das Arbeitsverhältnis also nach Zugang der Verzichtserklärung noch mindestens ein Jahr lang bestehen, hat der Arbeitgeber keinerlei Karenzentschädigung an den Arbeitnehmer zu leisten. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber nicht mehr auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichten. Möglich ist es hingegen, dass der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung den Verzicht ausspricht, sofern das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist. Bei einer fristlosen Kündigung muss der Verzicht folglich spätestens zusammen mit der Kündigungserklärung zu gehen (BAG, Urteil vom 31.7.2002 – 10 AZR 513/01).

Rücktrittsmöglichkeit

Auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot finden die Bestimmungen über das gesetzliche Rücktrittsrecht nach den §§ 323 ff. BGB Anwendung. Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind unter den Voraussetzungen er §§ 323 ff. BGB berechtigt, von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurückzutreten, wenn die andere Vertragspartei eine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt. Der Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wirkt nur für die Zukunft („ex nunc“) – erst für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung entfallen die wechselseitigen Pflichten (BAG, Urteil vom 31.01.2018 – 10 AZR 392/17).

Praxistipp

Arbeitgeber sollten bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages sorgfältig abwägen, ob sie mit dem Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren wollen. Hierbei sind insbesondere Wirkung und Kosten gegenüberzustellen. Sofern der Arbeitgeber die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für sinnvoll erachtet, sollte die konkrete Formulierung der Regelung mit besonderer Sorgfalt erfolgen.

Für Arbeitnehmer, in deren Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestimmt ist, kann es sinnvoll sein, die arbeitsvertragliche Regelung anwaltlich überprüfen zu lassen. Je nach Ergebnis der anwaltlichen Überprüfung ist der Arbeitnehmer gar nicht, nur eingeschränkt oder vollständig an das Wettbewerbsverbot gebunden. Bei einem wirksamen Wettbewerbsverbot ist in Betracht zu ziehen, mit dem Arbeitgeber Verhandlungen über die Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aufzunehmen.

Arbeitgeber beraten wir gerne bei der Gestaltung oder Überprüfung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Zudem vertreten wir Arbeitgeber in Fällen, in denen der Arbeitnehmer gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen hat oder unberechtigterweise die Zahlung einer Karenzentschädigung fordert. Arbeitnehmern stehen wir gerne zur Seite, wenn geprüft werden soll, ob bzw. inwieweit sie sich an ein bestehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot halten müssen. Darüber hinaus unterstützen wir Arbeitnehmer bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Zahlung einer Karenzentschädigung. Rufen Sie uns einfach an (040 – 371577) oder schreiben uns eine E-Mail.

Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

In Elternzeit befindliche Arbeitnehmer* können von ihrem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, ihre bisherige Tätigkeit in einem Umfang von 15 bis 30 Wochenstunden während der Elternzeit auszuüben. Dieser Anspruch ist in § 15 Abs. 7 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzt (BEEG) bestimmt. In diesem Artikel werden die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit erläutert. Insbesondere soll in dem Artikel auch herausgestellt werden, in welchen Fällen der Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ablehnen kann.

Vereinbarungslösung

Gemäß § 15 Abs. 5 S. 1 – 3 BEEG soll der Arbeitnehmer zunächst versuchen, eine einvernehmliche Regelung über eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herbeizuführen. Wird eine solche einvernehmliche Regelung getroffen, sind sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer daran gebunden.

Einseitiges Verfahren

Können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit einigen, kann der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber unter den folgenden Voraussetzungen die Zustimmung für eine Teilbeschäftigung während der Elternzeit verlangen.

  1. Der Arbeitgeber muss in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Auszubildende sind hierbei nicht mitzuzählen. Unerheblich ist, ob die beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer in Vollzeit oder in Teilzeit beschäftigt sind. Die Voraussetzung ist also auch dann erfüllt, wenn ein Arbeitgeber in der Regel 16 Teilzeitmitarbeiter beschäftigt.
  2. Das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden haben.
  3. Die Teilzeitbeschäftigung muss mindestens zwei Monate lang erfolgen. Die Wochenarbeitszeit muss zwischen 15 und 30 Stunden liegen.
  4. Dem Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit dürfen keine „dringenden betrieblichen Gründe“ entgegenstehen (Näheres siehe unten).
  5. Der Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit muss spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Teilzeitbeschäftigung gestellt werden. Wird Elternzeit in einem Zeitraum zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag des Kindes genommen, beträgt die Frist 13 Wochen (relevant gemäß dem Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz nur bei Elternzeit für ab dem 01.07.2015 geborene Kinder) .
  6. Der Antrag des Arbeitnehmers muss hinreichend bestimmt sein. Hierfür ist erforderlich, dass der Antrag den Beginn und den Umfang der Teilzeittätigkeit enthält (§ 15 Abs. 7 S. 2 BEEG). Darüber hinaus soll der Antrag gemäß § 15 Abs. 7 S. 3 BEEG die Verteilung der Arbeitszeit, also Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie ihre Verteilung auf die Wochentage, angegeben werden. Dies ist jedoch keine Anspruchsvoraussetzung.

Fingierte Zustimmung bei nicht rechtzeitiger Ablehnung

Sofern der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ablehnen will, muss er dies innerhalb von vier Wochen mit schriftlicher Begründung tun. Nach dem Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gilt die Zustimmung des Arbeitgebers zur beantragten Teilzeitbeschäftigung bei Elternzeit für ab dem 01.07.2015 geborene Kinder als erteilt, wenn der Arbeitgeber die Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht spätestens vier Wochen (acht Wochen bei Betreuung eines Kindes nach dessen dritten Geburtstag) nach Zugang des Antrages schriftlich abgelehnt hat. Dies bedeutet, dass der Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit bei nicht rechtzeitiger schriftlicher Ablehnung zukünftig selbst dann als genehmigt gilt, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, den Wunsch nach Teilzeit während der Elternzeit abzulehnen.

Inhalt des Ablehnungsschreibens

Die Ablehnung des Elternteilzeitantrags muss unter Einhaltung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen. In seinem Ablehnungsschreiben hat der Arbeitgeber den wesentlichen Kern der betrieblichen Hinderungsgründe zu benennen. Er muss die Tatsachen mitteilen, die für die Ablehnung maßgeblich sind. Es bedarf dazu aber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts weder einer „schlüssigen“ noch einer „substantiierten“ Darlegung (BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 298/18). Sofern der Arbeitnehmer die Ablehnung nicht akzeptiert und vor dem Arbeitsgericht seinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit geltend macht, darf sich der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren nur auf solche Gründe stützen, die er in seinem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben genannt hat (BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 298/18).

Dem Antrag auf Teilzeit entgegenstehende dringende betriebliche Gründe

Gemäß § 15. Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG ist Voraussetzung für den Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit, dass dem Anspruch keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Durch die Formulierung im Gesetz wollte der Gesetzgeber deutlich machen, dass im Rahmen einer im Einzelfall ausgerichteten Interessenabwägung für eine berechtigte Ablehnung des Antrags auf Teilzeit ein deutliches Übergewicht der betrieblichen Interessen an der Vermeidung einer Teilzeitbeschäftigung bestehen muss. Die Anforderungen an die betrieblichen Gründe sind insbesondere höher als jene für die Ablehnung eines Anspruches auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Dort werden nämlich lediglich „betriebliche Gründe“ gefordert. Mit dem Begriff „dringend“ in § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG wird gemäß der Gesetzesbegründung ausgedrückt, dass die entgegenstehenden betrieblichen Gründe „nahezu zwingend“ oder „unabweisbar“ sein müssen. Eine Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung kommt danach nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes als dringender betrieblicher Grund

Beruft sich der Arbeitgeber bei der Ablehnung des Antrages auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit darauf, dass der Arbeitsplatz unteilbar sei, etwa weil der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer in einer Leitungsfunktion tätig ist, muss er alle Möglichkeiten einer betrieblichen Umorganisation prüfen und überzeugend darlegen, dass eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit gegenüber einem vollständigen Ruhen während der Elternzeit nicht durchführbar ist. Hierbei hat er etwaige mit der Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers verbundene betriebliche Schwierigkeiten und möglicherweise erforderliche Überbrückungsmaßnahmen in Kauf zu nehmen.

Berufung auf fehlenden Beschäftigungsbedarf als dringender betrieblicher Grund

Stützt der Arbeitgeber die Ablehnung der beantragten Teilzeitbeschäftigung auf mangelnden Beschäftigungsbedarf, ist gemäß dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 05.06.2007 (Az. 9 AZR 82/07) regelmäßig erforderlich, dass der Arbeitgeber zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungslast seinen Gesamtbedarf an Arbeitszeitkapazität für Aufgaben, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechtes übertragen kann, vorträgt und diesem die tatsächliche Besetzungssituation gegenüber stellt. Insbesondere bei größeren Betrieben könne wegen der dynamischen Entwicklung im Personalbereich durch Fluktuation oder Inanspruchnahme von Elternzeit auf die arbeitgeberseitige Darlegung der oben beschriebenen Gegenüberstellung nicht verzichtet werden. Eine Ausnahme ist allenfalls  bei kleineren Unternehmen oder im öffentlichen Dienst bei einer vorgegebenen Anzahl von Planstellen denkbar.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der dringenden betrieblichen Gründe

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 15.12.2009 (Az. 9 AZR 72/09) entschieden, dass für die Beurteilung der dringenden betrieblichen Gründe auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragsablehnung durch den Arbeitgeber abzustellen ist. Das Arbeitsgericht Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 08.05.2014 (Az. 29 Ca 577/13) hingegen, dass es auf die Umstände zum Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zur Begründung weist es darauf hin, dass in dem vorgenannten Urteil des BAG lediglich thesenartig auf frühere Rechtsprechungen des BAG zum Teilzeitwunsch des § 8 TzBfG außerhalb der Elternzeit verwiesen wird. In § 8 Abs. 6 TzBfG werde jedoch zum Schutz des Arbeitgebers geregelt, dass der Arbeitnehmer erst nach Ablauf von zwei Jahren nach berechtigter Abweisung eines Teilzeitbegehrens wieder einen neuen Antrag stellen kann und betriebliche Veränderungen in der Zwischenzeit daher unbeachtlich sind. Da es eine solche Regelung jedoch in § 15 BEEG nicht gibt, sei für die Beurteilung der Frage, ob dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung maßgeblich.

Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn

Lehnt der Arbeitgeber den arbeitnehmerseitigen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab, obwohl die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 7 BEEG erfüllt sind, oder beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz nicht rechtzeitiger Ablehnung des Teilzeitantrages nicht, stehen dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB zu. Der Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf das ihm arbeitsvertraglich zustehende Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen beantragter Wochenarbeitszeit und der im Arbeitsvertrag bestimmten Wochenarbeitszeit. Er muss sich allerdings auf seinen Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 2 BGB das anrechnen lassen, was er in Folge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart, durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Praxistipp

In Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern ist zu empfehlen, dem Arbeitgeber bereits bei Beanspruchung der Elternzeit mitzuteilen, dass ein Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit besteht. Dann muss der Arbeitgeber dies bei seiner Personalplanung berücksichtigen und wird nur in seltenen Fällen berechtigt sein, den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung abzulehnen.

„Betroffenen“ Arbeitgebern, die keinen (Teilzeit-)Beschäftigungsbedarf haben oder bei denen in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer nicht in die Organisationsstruktur passen, ist zu empfehlen, zu versuchen, zusammen mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmlich Lösung zu finden.  Die strikte Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ist wegen der hohen Darlegungslast im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit erheblichen Risiken verbunden. Allerdings kommt es hierbei stets auf den Einzelfall an.

Sofern Sie Fragen zur Elternzeit, insbesondere zum Anspruch auf Teilzeit in Elternzeit haben, unterstützen wir Sie gerne. Sprechen Sie uns einfach an oder schreiben uns eine E-Mail. Bitte

Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg/Lüneburg

*  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel auf geschlechtsspezifische Doppelnennungen verzichtet.

Comicartige Gesichter und Comicfiguren werden gerne und immer wieder verwendet, um Produkte zu kennzeichnen, gerade im Lebensmittelbereich. Besonders beliebt ist die Verwendung solcher Gesichter bei Süßwaren für Kinder und Snacks. Für den Hersteller solcher Produkte stellen sich mehrere Fragen, u.a. ob ein solches Gesicht als Marke geschützt werden kann und ob mit einer solchen Marke anderen die Nutzung ähnlicher Comic-Gesichter untersagt werden kann.

Marken für Comic-Gesichter und Comicfiguren?

domoskanonos @ AdobeStock

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Ein angemeldetes Zeichen wird von den Markenämtern dann als Marke eingetragen, wenn es sich um ein unterscheidungskräftiges Zeichen für die beantragten Waren und Dienstleistungen handelt. Eine Markenanmeldung wird wegen fehlender Unterscheidungskraft nur dann zurückgewiesen, wenn ihr diese vollständig fehlt. Wenn auch nur eine noch so geringe Unterscheidungskraft vorhanden ist, muss das Amt die Marke eintragen. Unterscheidungskraft fehlt einer angemeldeten Marke dann vollständig,

  • wenn ihr kein im Vordergrund stehender, beschreibenden Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder
  • es sich nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als solches und eben gerade nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.

Für Comic-Gesichter und Comicfiguren kommt allenfalls in Betracht, dass sie die zu kennzeichnenden Waren oder Dienstleistungen beschreiben. Fehlt es aber an einer solchen offensichtlichen Bedeutung, muss die Marke eingetragen werden. Für Comic-Gesichter und Comicfiguren dürfte daher im Regelfall die notwendige Unterscheidungskraft vorliegen.

Vorgehen gegen ähnliche comicartige Gesichter

Der erfolgreiche Markenanmelder steht dann vor der Frage, ob er anderen Nutzern von Comic-Gesichtern die Verwendung derselben untersagen kann. Hier kommt man nicht umhin, die für Rechtsanwälte geläufige Floskel „es kommt darauf an“ zu verwenden. Denn auch hier stellen sich die gleichen Fragen, die bei jeder möglichen Markenverletzung zu beantworten sind. Besonders hervorzuheben sind aber folgende Fragen: Nutzt der angebliche Verletzer das Zeichen überhaupt als Marke? Besteht eine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke und dem verwendeten Zeichen?

Ist ein Comic-Gesicht auf einer Verpackung eine markenmäßige Nutzung?

Ein Zeichen wird dann als Marke verwendet, wenn es im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient. Ob das der Fall ist, muss durch die Brille des Abnehmers beurteilt werden. Wenn die nicht völlig fernliegende Möglichkeit besteht, dass dieser in dem Comic-Gesicht einen Hinweis auf die Herkunft des Produktes sieht, wird das Comic-Gesicht als Marke verwendet.

Ein Beispiel dazu aus einer Entscheidung des Landgerichts München I (Urteil vom 22.12.2017, Az. 33 O 22319/16) zu der folgenden Gestaltung:

Milkana

Hier entschied das Landgericht, dass eine markenmäßige Verwendung vorliegt, weil die Comic-Figur prominent auf der Verpackungsvorderseite angebracht ist. Das ist bei Lebensmittelverpackungen eine Position, an der typischerweise Herkunftshinweise angebracht sind. Gerade im Lebensmittelbereich ist der Verbraucher daran gewöhnt, dass auch Bildzeichen zur schnellen Wiedererkennung des Produkts als Marke verwendet werden. Es handelt sich dann um Zweit- oder Drittmarken (hier hinter „Milkana“ und „Tolle Rolle!“).

Wird das Comic Gesicht also entsprechend prominent auf der Verpackung verwendet, so dürfte regelmäßig eine markenmäßige Verwendung gegeben sein.

Verwechslungsgefahr zwischen Comic-Figuren

Damit eine Markenverletzung vorliegt, müssen die eingetragene Marke und die angegriffene Nutzung verwechslungsfähig sein. Ob zwischen den sich gegenüberstehenden Comic-Gesichtern Verwechslungsgefahr besteht, ist ebenfalls anhand des Einzelfalls zu prüfen. Der oben bereits angesprochenen Fall des Landgerichts München I zeigt jedoch, dass Verwechslungsgefahr bei Comic-Figuren nicht immer leicht bejaht werden kann. Der Fall macht deutlich, dass dies noch nicht einmal gilt, wenn die Zeichen für identische Produkte (hier: Käse) verwendet werden.

Denn bei den sich gegenüberstehenden Zeichen

milkana 4 Milkana 3

ist auf den Gesamteindruck abzustellen. Die Zeichen dürfen nicht künstlich zergliedert und analysiert werden. Deshalb stehen sich hier ein am oberen Ende ausgefranster Streifen und eine aufgerollte Schnecke gegenüber. Bereits darin liegt ein erheblicher Unterschied zwischen den Zeichen. Dazu kommen weitere Unterschiede wie die Haare, die bei der Schnecke nicht vorhanden sind, oder die Augenbrauen und Arme der angegriffenen Form, die bei der Marke fehlen.

Gesamte Form ist entscheidend, nicht nur das eigentliche Gesicht

Nicht möglich ist es, lediglich die beiden Gesichter der Figuren gegenüberzustellen und die „Rolle“ bei dem angegriffenen Zeichen außen vor zu lassen. Eine solche Aufspaltung ist nicht möglich. Denn das Gesicht des angegriffenen Zeichens prägt dieses nicht, es passt sich der restlichen Form lediglich an. Und es liegen auch keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer man das „Gesicht“ von der „Rolle“ trennen könne. Im Gegenteil: Das Gesicht der angegriffenen Darstellung folgt der Wölbung der übrigen Rolle, so dass beides als einheitliches Ganzes erscheint (Gericht: aufgrund der sogenannten „Speedlines“ läge eine „dynamisierte Gesamtbewegung“ vor).

Für die Verletzungsgefahr keine Rolle spielt der Umstand, dass beide Zeichen im Stil einer Comic-Figuren dargestellt sind. Denn allein die Auswahl dieses Stils (Comic-Stil) für zu keinem Schutz (kein Motivschutz).

Ergebnis

Im Ergebnis wird deutlich, dass es deutlich einfacher ist, einen Markenschutz für ein Comic-Gesicht oder eine Comicfigur zu erlangen als diese Marke dann auch gegen andere Comic-Gesichter durchzusetzen. Es bleibt bei dem häufig erteilten anwaltlichen Hinweis: Es kommt auf den Einzelfall an. Wenn aber die Unterschiede bei den sich gegenstehenden Zeichen überwiegen, wird es schwierig, dem anderen die Nutzung seines Zeichens zu untersagen. Wenn Sie eine solche Einschätzung benötigen, setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung:

Markenrecht Hamburg: 040 37 15 77

Markenrecht Lüneburg: 04131 2214911

info@heldt-zuelch.de

 

Es ist ärgerlich, wenn man im Markt einen Konkurrenten entdeckt, der ein innovatives Produkt aus dem eigenen Sortiment identisch übernimmt und anbietet. Es stellt sich dann die Frage, ob man gegen den Konkurrenten vorgehen kann und ihm das weitere Anbieten des kopierten Produkts untersagen kann. Wenn weder ein eingetragenes Design vorhanden ist und auch kein technisches Schutzrecht, bleibt häufig nur der Weg über das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb, wo der wettbewerbsrechtliche (ergänzende) Leistungsschutz geregelt ist.

Was ist wettbewerbliche Eigenart?

Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz dienen im Wesentlichen dem Schutz individueller Leistungen, aber eben auch dem Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb. Damit ein Produkt unter den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz fällt, muss es eine „wettbewerbliche Eigenart“ besitzen. Die ist bei einem Produkt gegeben, „wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmten Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen“.

Beispiel: OLG Frankfurt zu Pferdestriegeln

 von Lieres @ fotolia

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Welche Merkmale das sein können, zeigt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Az. 6 U 56/17 vom 19.04.2018). In dem Fall hatte die Beklagte Pferdestriegel angeboten, die im Wesentlichen identisch zu den Pferdestriegeln aussahen, die die Klägerin anbot. Die Bürsten unterschieden sich nur hinsichtlich ihrer Farbe und einem kleinen Logo, das die Beklagte auf ihr Produkt aufgebracht hatte.

Was kann an Pferdestriegeln eigenartig sein?

Das Gericht bejahte die wettbewerbliche Eigenart für die Pferdestriegel der Klägerin aufgrund der folgenden Merkmale:

  • Ovaler Haltegriff
  • Kombination zweier verschiedenfarbiger Kunststoffe, wobei der härtere zur Stabilität beiträgt und der weichere zur ermüdungsarmen, gelenksschonenden und abrutschsicheren Handhabung.

Keine wettbewerbliche Eigenart bei technischer Notwendigkeit

Die Beklagte hatte argumentiert, dass der Griff keine wettbewerbliche Eigenart begründen könne. Denn er sei technisch notwendig, um die Pferdebürste anfassen und verwenden zu können. Das Gericht stellte aber fest, dass gerade die Art des Griffes für die Benutzung einer Pferdebürste technisch nicht zwingend notwendig sein kann. Denn alle anderen Wettbewerber hätten andere Lösungen für den Griff der Bürste gefunden.

Bei Produkt-Kopie hilft Logo nicht

Da die technischen Elemente (Griff) und auch die gestalterischen Elemente (verschiedenfarbige Kunststoffe) nahezu identisch übernommen wurden (Kopie), war auch eine unlautere Herkunftstäuschung anzunehmen. Zur Vermeidung dieser Herkunftstäuschung reichte es nicht aus, dass die Beklagte auf ihre Bürste ein Logo aufgebracht hatte. Zum einen war das Logo nur schwer zu erkennen, weil es klein war und farblich nicht hervorstach. Und zum anderen unterschied sich die Gestaltung der Bürste derart deutlich von anderen Wettbewerbsprodukten, dass der Kunde allein aufgrund der äußeren Gestaltung des Produkts auf einen bestimmten Hersteller schließen würde – so das Gericht. Die Verbraucher könnten daher auch denken, dass Bürste der Beklagten ein Lizenzprodukt oder eine Zweitmarke der Klägerin sein könnte.

 

Im Ergebnis untersagte das Oberlandesgericht Frankfurt der Beklagten, ihr Pferdeputzzeug (Bürste) in Deutschland in den Verkehr zu bringen.

Fazit

Es müssen keine künstlerischen Gestaltungen sein, die einem Produkt wettbewerbliche Eigenart verleihen. Wichtig ist allerdings, dass diese Merkmale nicht technisch zwingend notwendig sind. Denn technisch notwendige Merkmale müssen für jeden Wettbewerber frei nutzbar sein. Ob ein Merkmal die Schwelle zur wettbewerblichen Eigenart überspringt, kann anhand eines Vergleichs mit funktionsgleichen Wettbewerbsprodukten beurteilt werden. Unterscheidet sich das eigene Produkt von Wettbewerbsprodukten erheblich, so spricht vieles für das Vorliegen von wettbewerblicher Eigenart. Werden solche Produkte fast identisch nachgeahmt (kopiert), so hilft auch das Anbringen eines Logos oder einer Marke dem Nachahmer nichts mehr: Sein Produkt stellt eine unzulässige Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3a UWG dar.