Die Fälle, in denen ein Streit über die betriebliche Altersversorgung gerichtlich geklärt wird, sind in den letzten Jahren häufiger geworden. Dieser Artikel soll einen Überblick geben über Punkte, die bei gerichtlichen Streitigkeiten zur betrieblichen Altersversorgung zu beachten sind.
Im Folgenden sind die nach unseren Erfahrungen häufigsten Klagen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung aufgeführt:
- Klage auf Zahlung einer (höheren) Betriebsrente wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Auslegung der zugrunde liegenden Versorgungszusage
- Feststellungsklage über das Bestehen einer betrieblichen Altersversorgung nach Widerruf der Zusage durch den Arbeitgeber
- Auskunftsklage über die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft
- Klage auf Zahlung einer (höheren) Betriebsrente wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
- Klage auf Zahlung einer Betriebsrente aufgrund betrieblicher Übung
- Klage auf Feststellung der maßgeblichen Versorgungszusage bei unterschiedlichen Auffassungen über die Wirksamkeit der Ablösung einer Versorgungszusage
- Klage auf Anpassung der laufenden Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG
- Klage auf Zahlung eines Ergänzungsanspruchs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die versicherungsförmige Lösung bei Zusagen über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse
- Klage auf Einhaltung der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung durch den Betriebsrat (im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens)
Zuständigkeit des Arbeitsgerichts
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist in den §§ 2 ff. ArbGG abschließend geregelt. Sie ist eine Prozessvoraussetzung, die vom angerufenen Arbeitsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine rügelose Einlassung ist daher nicht möglich. Bei Zweifeln hinsichtlich der Rechtswegzuständigkeit ist zunächst über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden.
Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern* oder ihren Hinterbliebenen und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die Arbeitsgerichte zuständig. Bei Ansprüchen des Arbeitnehmers bzw. seinen Hinterbliebenen gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG anzunehmen.
Klagen gegen Versorgungsträger
Für Klagen von Arbeitnehmern bzw. Betriebsrentnern* gegen Pensionskassen, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen auf Versorgungsleistungen oder Auskünfte gemäß § 4a BetrAVG sind die Arbeitsgerichte zuständig, sofern es sich bei dem Versorgungsträger um eine Sozialeinrichtung des privaten Rechts im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 b ArbGG handelt. Dies ist dann anzunehmen, wenn sich der Versorgungsträger auf die Versorgung von Arbeitnehmern eines konkreten Arbeitgebers oder eines bestimmten Konzerns beschränkt (BAG, Beschluss vom 14.11.2017 – 9 AS 8/17). Die Arbeitsgerichte sind insbesondere dann nicht zuständig, wenn der Versorgungsträger branchenweit tätig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 05.12.2013 – 10 AZB 25/13 und LAG München, Beschluss vom 30.08.2018 – 1 SHa 1/18).
Grundsätzlich nicht möglich ist es, Versorgungsträger und Arbeitgeber als Gesamtschuldner zu verklagen (BAG, Urteil vom 13.07.2021 – 3 AZR 298/20). Lediglich wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine Verletzung von Diskriminierungsverboten oder den Gleichbehandlungsgrundsatz stützt, können Arbeitgeber und Versorgungsträger gemeinsam verklagt werden. Auch wenn es sich beim Versorgungsträger um eine Unterstützungskasse handelt, kann grundsätzlich eine Gesamtschuldnerschaft angenommen werden. Umstritten ist allerdings, ob dies auch für von Versicherungsgesellschaften gegründeten Unterstützungskassen gilt.
Wollen Arbeitnehmer oder Betriebsrentner mit einer Versorgungszusage über eine Direktversicherung Ansprüche auf Versorgungsleistungen oder Auskünfte gegenüber dem Lebensversicherungsunternehmen gerichtlich geltend machen, müssen sie vor den ordentlichen Gerichten klagen. Bei Lebensversicherungsunternehmen handelt es sich nämlich nicht um Sozialeinrichtungen des privaten Rechts im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 b ArbGG. Örtlich zuständig sind sowohl das Gericht, in dessen Bezirk die Lebensversicherungsgesellschaft ihren Sitz hat (allgemeiner Gerichtsstand) als auch das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer, also der Arbeitgeber, seinen Sitz hat (besonderer Gerichtsstand gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG, auch anwendbar auf juristische Personen, BGH, Urteil vom 08.11.2017 – IV ZR 551/15). Nach wohl herrschender Auffassung kann der Arbeitnehmer als versicherte Person aufgrund analoger Anwendung von § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG auch an dem Gericht klagen, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.04.2012 – 5 U 196/11; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 215 Rn. 19; Staudinger in: Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 3. Edition, § 215 Rz. 69 ff.).
Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung von Geschäftsführern oder Vorständen
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist nicht gegeben, wenn der Empfänger der Versorgungszusage zum Zeitpunkt ihrer Erteilung eine Organstellung i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG inne hatte (LAG Köln, Beschluss vom 03.01.2011 – Az. 7 Ta 363/10). Bei Streitigkeiten um eine sogenannte Gesellschaft-Gechäftsführer-Versorgung (GGF-Versorgung) sind daher die Arbeitsgerichte grundsätzlich nicht zuständig. Vielmehr sind hierfür die ordentlichen Gerichte, in der Regel die Landgerichte, zuständig. Gleiches gilt beim Vorstand einer Aktiengesellschaft, eines eingetragenen Vereins, einer Stiftung oder einer eingetragenen Genossenschaft sowie beim Director einer englischen Limited.
Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung des PSV
Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern bzw. ihren Hinterbliebenen und dem Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) über Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung gemäß §§ 7 ff. BetrAVG sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig. Da der PSV seinen Sitz in Köln hat, ist für Klagen gegen den PSV das Arbeitsgericht Köln zuständig. Der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG (siehe unten) gilt nicht, da dort ein Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG fehlt.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist hingegen nicht eröffnet bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Arbeitgebern und dem PSV, wenn es um Beitrags-, Mitteilungs- und Auskunftspflichten geht. Vielmehr sind in den Fällen die Verwaltungsgerichte zuständig.
Örtlich zuständiges Arbeitsgericht
Die Zivilprozessordnung, auf welche in § 46 Abs. 2 ArbGG verwiesen wird, unterscheidet zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand, dem besonderen Gerichtsstand und dem ausschließlichen Gerichtsstand. Gemäß § 12 ZPO ist das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Im besonderen Gerichtsstand können nur bestimmte Rechtsstreitigkeiten anhängig gemacht werden. Gilt für eine Klage neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch ein besonderer Gerichtsstand, besteht gemäß § 35 ZPO ein Wahlrechts des Klägers*. Alle zuständigen Gerichte in Deutschland können im Justizportal des Bundes und der Länder abgerufen werden. Für die Richtigkeit der dort gemachten Angaben übernimmt Heldt Zülch allerdings keine Gewähr.
Allgemeiner Gerichtsstand
Der allgemeine Gerichtsstand des Arbeitnehmers richtet sich nach seinem Wohnsitz. Das Gleiche gilt für Arbeitgeber, sofern es sich hierbei um eine natürliche Person handelt. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so hat er seinen allgemeinen Gerichtsstand am Ort des Verwaltungssitzes.
Besonderer Gerichtsstand des Arbeitsortes
Mit Wirkung zum 01.04.2008 ist der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes eingeführt worden. Danach ist für bestimmte Streitigkeiten auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, § 48 Abs. 1a ArbGG. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch Auseinandersetzungen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Als Arbeitsort gilt der Ort, der tatsächlicher Mittelpunkt der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers ist bzw. war. Bei Außendienstmitarbeitern* kommt es auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an. Maßgebend ist der Ort, an dem zeitlich überwiegend tatsächlich eine Tätigkeit ausgeübt wird bzw. wurde. Sofern sich ein solcher Schwerpunkt nicht ermitteln lässt, kann der Wohnort des Arbeitnehmers der Arbeitsort sein, z.B. wenn der Arbeitnehmer seine Wohnung als „Homeoffice“ nutzt bzw. genutzt hat und dort nicht lediglich Folgearbeiten der geschuldeten Hauptarbeitsleistung erbringt bzw. erbracht hat.
Kein besonderer Gerichtsstand bei Klagen gegen Versorgungsträger
Bei mittelbarer Durchführung der betrieblichen Altersversorgung, also bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder über eine Direktversicherung, kann der Arbeitnehmer bzw. frühere Arbeitnehmer grundsätzlich auch den Versorgungsträger verklagen (siehe oben). In dem Fall ist weder der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes noch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO gegeben (LAG Köln, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 1 SHa 11/14). Vielmehr ist das Gericht zuständig, an dem der Versorgungsträger seinen Verwaltungssitz hat. Verklagt der (frühere) Arbeitnehmer jedoch sowohl den (ggf. nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG haftenden) Arbeitgeber als auch den Versorgungsträger, ist bei verschiedenen, für die Streitgenossen zuständigen Gerichten wegen des Zusammenhangs des Rechtsstreits mit dem Arbeitsverhältnis in der Regel davon auszugehen, dass das für den Arbeitgeber zuständige Gericht auch für die Klage gegen den Versorgungsträger zuständig ist (LAG Köln, Beschluss vom 19.11.2014, Az. 1 SHa 11/14).
Bei Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts: Verweisung auf Antrag oder von Amts wegen?
Hält sich das angerufene Gericht für unzuständig, ist bezüglich der Frage, ob die Sache von Amts wegen verwiesen wird oder ob der Kläger die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht beantragen muss, zu unterscheiden zwischen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit einerseits und fehlender Rechtswegzuständigkeit andererseits.
- Sachliche oder örtliche Unzuständigkeit: Gemäß § 281 ZPO kann der Kläger die Verweisung an das zuständige Gericht beantragen. Sind mehrere Gerichte zuständig, hat der Kläger ein Wahlrecht. Eine Verweisung von Amts wegen an das zuständige Gericht erfolgt nicht. Beantragt der Kläger nicht die Verweisung des Rechtsstreits an ein zuständiges Gericht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
- Fehlende Rechtswegzuständigkeit: Hat der Kläger hingegen Klage beim Arbeitsgericht eingereicht, obwohl der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, wird der Rechtsstreit ohne Zutun des Klägers vom Arbeitsgericht durch Beschluss an das zuständige Gericht verwiesen, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Entsprechendes gilt, wenn der Kläger Klage bei einem ordentlichen Gericht (Amts- oder Landgericht) eingereicht hat und das angerufene Gericht der Auffassung ist, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. In dem Fall verweist das angerufene Amts- oder Landgericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Arbeitsgericht.
Klagearten
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung kommen als Klagearten in der Regel nur die Leistungsklage und die Feststellungsklage in Betracht.
Leistungsklage
In einer Leistungsklage begehrt der Kläger die Befriedigung eines nach seiner Auffassung bestehenden Anspruchs. Die Leistungsklage ist auf die Erlangung eines Vollstreckungstitels gerichtet. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung wird mit einer Leistungsklage beispielsweise die Zahlung einer fälligen Betriebsrente oder eines einmaligen Versorgungskapitals oder die Erteilung einer Auskunft über die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft geltend gemacht.
Klage auf wiederkehrende Leistungen
Die Klage auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO ist ein Unterfall der Leistungsklage. Mit ihr können künftig fällig werdende Beträge eingeklagt werden, sofern diese von keiner Gegenleistung abhängen, wie etwa Betriebsrenten. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss dabei nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
Feststellungsklage
Es gilt grundsätzlich der Vorrang der Leistungsklage. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitnehmer eine Leistungsklage nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls erheben kann. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist vorhanden, wenn durch die Feststellungsklage eine sachgemäße einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen. Hiervon ist in den meisten Klagen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auszugehen.
Gerichtskosten
Für das gerichtliche Verfahren ermitteln sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert, dem dem Gerichtskostengesetz (GKG) als Anlage 1 beigefügten Kostenverzeichnis und der in § 34 GKG bestimmten Gebührentabelle. Neben den Gerichtsgebühren sind die dem Gericht entstandenen Auslagen zu erstatten.
Entfall der Gerichtsgebühren
Im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten tritt in vielen Fällen eine besondere Kostenprivilegierung ein. So tritt beispielsweise eine vollständige Kostenbefreiung ein, wenn das gesamte Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet worden ist. Ebenfalls keine Kosten fallen an, wenn das Verfahren ohne vorangegangene streitige Verhandlung endet, z.B. durch Zurücknahme der Klage. Die Güteverhandlung gemäß § 54 ArbGG gilt hierbei nicht als streitige Verhandlung.
Gebührenermäßigung
Endet das gerichtliche Verfahren nach streitiger Verhandlung durch Klagerücknahme, durch Anerkenntnisurteil, durch Verzichtsurteil oder durch ein abgekürztes Urteil im Sinne des § 313a ZPO, wird vom Gericht lediglich eine ermäßigte Gebühr erhoben (0,4 statt 2,0 Gebühren). Das Gleiche gilt, bei Abgabe von Erledigungserklärungen durch beide Parteien, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung treffen muss (Nr. 8211 Nr. 3 KV GKG).
Streitwert
Für den Streitwert bei Klagen auf Zahlung einer Betriebsrente bzw. einer höheren Betriebsrente ist die dreifache Jahresrente bzw. die Differenz zwischen begehrter und unstreitiger Betriebsrente in einem Zeitraum über drei Jahre maßgeblich. Dies gilt nicht, wenn der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist, § 42 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 GKG. Gemäß § 42 Abs. 3, Satz 1, Hs. 2 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge nicht dem Streitwert hinzugerechnet.
Beispiel für die Berechnung des Streitwerts
Der Kläger erhält von seinem ehemaligen Arbeitgeber seit dem 01.01.2020 eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 700 Euro. Er ist jedoch der Auffassung, ihm stünde eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 900 Euro zu. In seiner im Mai 2020 erhobenen Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht beantragt er einerseits die Zahlung von rückständiger Betriebsrente für die Monate Januar 2020 bis April 2020 und andererseits die zukünftige monatliche Zahlung der über die derzeitige Betriebsrente hinausgehenden 200 Euro ab Mai 2020.
Ergebnis: Der Streitwert beträgt 7.200 Euro (36 x 200 Euro). Die rückständige Betriebsrente in Höhe von 800 Euro bleibt bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt.
Bei Versorgungszusagen, die auf die Zahlung eines einmaligen Versorgungskapitals gerichtet sind, richtet sich der Streitwert nach der Höhe des verlangten Versorgungskapitals. Bei vor Eintritt des Versorgungsfalls erhobene Feststellungsklagen, ist ein Abschlag gegenüber einer entsprechenden Leistungsklage in Höhe von 30 % vorzunehmen (BAG, Beschluss vom 29.10.2019 – 3 AZR 251/17 (A). Bei einer negativen Feststellungsklage, zum Beispiel bei einer Klage, in welcher der Arbeitgeber die Feststellung beantragt, dass ein bestimmter Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nicht bzw. nicht mehr besteht, ist ein Abschlag hingegen nicht vorzunehmen.
Rechtsanwaltskosten
Die Höhe der Rechtsanwaltskosten ergibt sich entweder aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder aus einer gesondert getroffenen Vergütungsvereinbarung. In der Vergütungsvereinbarung kann geregelt sein, dass sich die Vergütung nach dem Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung eines festgelegten Stundensatzes richtet. Möglich ist auch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars. Zu beachten ist jedoch, dass die Gebühren gemäß dem RVG in gerichtlichen Verfahren nicht unterschritten werden dürfen.
Rechtsschutzversicherung
Ist der Mandant bzw. die Mandantin rechtsschutzversichert, ist also im Rechtsschutzversicherungsvertrag des Mandanten Arbeitsrechtsschutz (auch Berufsrechtsschutz genannt) eingeschlossen, trägt die Rechtsschutzversicherung in der Regel die Rechtsanwaltsgebühren gemäß dem RVG (mit Ausnahme einer etwaig vereinbarten Selbstbeteiligung). Darüber hinaus trägt die Rechtsschutzversicherung auch die Gerichtskosten.
Keine Erstattung von Rechtsanwaltskosten
Für die zu tragenden Rechtsanwaltskosten ist es bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Urteilsverfahrens unerheblich, wer den Rechtsstreit gewinnt. Ein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten ist gemäß § 12a ArbGG im ersten Rechtszug ausdrücklich ausgeschlossen.
Berufung vor den Landesarbeitsgerichten
Gegen Urteile der Arbeitsgerichte kann die unterlegene Partei grundsätzlich Berufung beim zuständigen Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen, sofern eine der in § 64 Abs. 2 ArbGG bestimmten Voraussetzungen erfüllt ist:
- Die Berufung wird in dem Urteil des Arbeitsgerichts ausdrücklich zugelassen.
- Der Streitwert übersteigt 600 Euro.
- In dem Rechtsstreit geht es um das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
- Bei dem Urteil handelt es sich um ein Versäumnisurteil gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, sofern die Berufung bzw. die Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat.
Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach der Urteilsverkündung, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG. Die Berufungsfrist ist eine Notfrist. Sie kann nicht verlängert werden. Die Berufungsbegründungsfrist kann vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt, § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG.
Anwaltszwang
In Rechtsstreitigkeiten vor den Landesarbeitsgerichten müssen sich die Parteien durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Neben Rechtsanwälten kommen als Prozessbevollmächtige noch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in Betracht (§ 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG).
Fachkammern der Landesarbeitsgerichte
Bei einigen Landesarbeitsgerichten, z.B. beim LAG Düsseldorf, beim Hessischen LAG oder beim LAG Hamm sind Fachkammern für den Bereich betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Bei anderen Landesarbeitsgerichten, zum Beispiel beim LAG Hamburg und beim LAG Bremen wird gemäß dem Geschäftsverteilungsplan nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Berufungsverfahren um Fragen der betrieblichen Altersversorgung handelt.
Revision vor dem BAG
Gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG kann die im Berufungsverfahren unterlegene Partei nur dann Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) einlegen, wenn die Revision vom LAG ausdrücklich zugelassen wurde. Hat das LAG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen, kann die betroffene Partei die Nichtzulassung durch Beschwerde beim BAG anfechten (sog. Nichtzulassungsbeschwerde). Sofern die Revision zugelassen wurde oder die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hatte, ist beim BAG die 3. Kammer (der sog. Betriebsrentensenat oder Ruhegeldsenat) zuständig.
Gerne beraten wir Sie zu rechtlichen Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Insbesondere vertreten wir Sie gerne in betriebsrentenrechtlichen Angelegenheiten – sowohl außergerichtlich als auch vor den Arbeitsgerichten. Rufen Sie uns einfach an (040 – 371577) oder schreiben uns eine E-Mail.
* Nur aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf geschlechtsspezifische Mehrfachnennungen verzichtet.
Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg