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Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hat der Arbeitnehmer die Elternzeit vom Arbeitgeber schriftlich zu verlangen und gleichzeitig zu erklären, für welche Zeiten er „innerhalb von zwei Jahren“ Elternzeit nehmen will. Diese Anforderung ist so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bei der ersten Inanspruchnahme mindestens den Zweijahreszeitraum abdecken muss. Das trägt dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter 2 Jahren zurück, kann der Arbeitnehmer gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 eine Verlängerung der Elternzeit grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen (vgl. hierzu auch den Beitrag „Verlängerung der Elternzeit – Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich“). Gegen den Willen des Arbeitgebers ist eine Verlängerung der Elternzeit bei der oben genannten Fallgestaltung nur möglich, „wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann“, § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG.

Arbeitgeber muss Entscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen

In seinem Urteil vom 18.10.2011 (Az. 9 AZR 315/10) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Zustimmung des Arbeitgebers nicht in dessen freien Belieben steht. Vielmehr hat der Arbeitgeber entsprechend § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob er die zur Verlängerung der Elternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG erforderliche Zustimmung erteilt. Im Gesetz ist nicht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Zustimmung verweigern darf oder erteilen muss. In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg daraus in seinem Urteil vom 14.10.2010 (Az. 10 Sa 59/09) geschlossen, dass der Arbeitgeber bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs in seiner Entscheidung frei sei, ob er der Verlängerung zustimme. Dieser Auffassung widersprach der 9. Senat des BAG. Wenn ein Gesetz die im Interesse der Eltern notwendige Flexibilisierung der Elternzeit im Einzelfall von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht, dürfe ohne konkrete Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes nicht angenommen werden, die Entscheidung über die Zustimmung stehe im freien Belieben des Arbeitgebers. Aus der Gesetzesbegründung folge zudem, dass der Gesetzgeber mit dem Zustimmungserfordernis lediglich deutlich machen wollte, es solle kein einseitiger Anspruch auf Verlängerung bestehen. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, seine für die in Anspruch genommene Elternzeit getroffenen Dispositionen aufrecht erhalten zu können, sollen einem vorbehaltlosen Rechtsanspruch entgegenstehen. Damit werde deutlich, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, mit dem Zustimmungserfordernis einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gewährleisten. Dieser werde nur bei entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB ermöglicht. Danach solle der Arbeitgeber durch die Ausübung der ihm vorbehaltenen Zustimmung nach billigem Ermessen darüber entscheiden können, ob die Elternzeit verlängert wird oder nicht.

Empfehlung

Arbeitnehmer, die sich zunächst auf eine Elternzeit von unter 2 Jahren festgelegt haben und die Elternzeit nachträglich verlängern wollen, sollten zunächst prüfen, ob eine Verlängerung ohne Zustimmung des Arbeitgebers gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG verlangt werden kann. Das ist der Fall, wenn die anspruchsberechtigten Eltern einen gegenseitigen Wechsel in den Elternzeiten vorgesehen hatten, der sich plötzlich nicht mehr verwirklichen lässt. Ist ein Fall des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nicht gegeben und versagt der Arbeitgeber berechtigterweise seine Zustimmung, kommt der Arbeitnehmer bei Nichtaufnahme der Tätigkeit nach Ablauf der ursprünglichen Elternzeit in Schuldnerverzug. Er genießt zudem nicht länger den besonderen Kündigungsschutz des § 18 BEEG. Hat der Arbeitgeber dagegen seine Zustimmung ermessensfehlerhaft verweigert, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch vor dem zuständigen Arbeitsgericht geltend machen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht die Feststellung verlangt werden kann, dass dem Arbeitnehmer über den ursprünglich bestimmten Zeitpunkt hinaus Elternzeit zustehe. Richtig ist es vielmehr, beim Arbeitsgericht zu beantragen, den Arbeitgeber zu verurteilen, die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit zu erklären.

Wenn Sie Fragen zur Elternzeit haben, rufen Sie uns an oder schreiben uns eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne.

 

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

In seinem Urteil vom 25.01.2011 (Az. 21 Ca 235/08) hat die 21. Kammer des Arbeitgerichts Hamburg entschieden, dass eine dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende tarifvertragliche Altersbegrenzungsklausel unwirksam sei, weil sie gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dem Urteil vorausgegangen war eine Vorabentscheidung durch den EuGH, nach der die Altersbegrenzungsklausel zumindest nicht gegen europäische Bestimmungen zur Altersdiskriminierung verstößt.

Ablauf des Arbeitsvertrages bei Vollendung des 65. Lebensjahres

Geklagt hatte eine im Rahmen eines sog. Minijobs bei einer Gebäudereinigungsfirma beschäftigte Raumpflegerin. Ihr wurde am 14.05.2008 von ihrer Arbeitgeberin mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats ende. Hiermit war die Klägerin, die im Mai 2008 65 Jahre alt wurde, nicht einverstanden. Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Hamburg begehrte die Klägerin festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31.05.2008 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht (sog. Befristungskontrollklage, auch Entfristungsklage genannt).

Die Beklagte begründet die Beendigung der Beschäftigung in ihrer Klageerwiderung mit einer Bestimmung im Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV). Zwar war die Klägerin nicht Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft. In ihrem Arbeitsvertrag wurde jedoch durch eine dynamische Verweisungsklausel auf die für das Gebäudereiniger-Handwerk geltenden Tarifverträge Bezug genommen. In dem einschlägigen § 19 RTV heißt es:

„Sofern einzelvertraglich nichts anderes vereinbart ist, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der/die Beschäftigte Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat, […] spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der/die Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat.“

Vorabentscheidung durch den EuGH

Das Arbeitsgericht fragte in einem Vorabentscheidungsersuchen vom 21.09.2009 den EuGH, ob § 19 RTV gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoße. Dies verneinte der EuGH in seinem  Urteil vom 12.10.2010. Dennoch entschied das Arbeitsgericht Hamburg am 25.01.2011, dass die tarifliche Altersbegrenzungsklausel unwirksam sei. Es liege nämlich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Der Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 3 Abs. 1 Grundgesetz

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Begünstigung einem bestimmten Personenkreis gewährt wird und einem anderen nicht. Gemäß dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg ist die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung (Arbeitnehmer bis 65 und Arbeitnehmer ab 65) unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht haltbar. § 19 RTV führe zu einer Ungleichbehandlung, weil die Arbeitsverhältnisse mit 65-jährigen Arbeitnehmern ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes automatisch beendet würden und dadurch bei Erreichen des 65. Lebensjahres der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz entzogen würde. § 19 RTV stellt eine sog. Stichtagsregelung dar. Zwar können Stichtagsregelungen zulässig sein. Die Wahl des Stichtages muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen.

Mittelbare Frauendiskriminierung

Als weiteren Aspekt führte das Arbeitsgericht Hamburg an, dass § 19 RTV Frauen mittelbar diskriminiere. Eine mittelbare Diskriminierung ist anzunehmen, wenn eine Regelung günstigere oder nachteilige Rechtsfolgen von Merkmalen abhängig macht, die Angehörige einer geschützten Gruppen signifikant leichter oder schwerer erfüllen können mit der Folge, dass sie von Vor- oder Nachteilen unverhältnismäßig häufiger betroffen sind. Im vorliegenden Fall ist die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern bis 65 und Arbeitnehmer ab 65 geschlechtsneutral formuliert. Nach Auffassung der 21. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg wirke sie sich jedoch geschlechtsspezifisch aus, weil im Gebäudereinigungsgewerbe überdurchschnittlich viele Frauen und überdurchschnittlich viele Teilzeitkräfte (insbesondere im Rahmen von Minijobs) beschäftigt seien. Damit lägen die Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vor.

Keine Rechtfertigungsgründe

Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg ist die Ungleichbehandlung nicht hinreichend gerechtfertigt. § 19 RTV stelle sich nicht als angemessen, nicht als geeignet, nicht als notwendig oder gar zwingend erforderlich und durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt dar. Ein objektives und nicht mit dem Geschlecht zusammenhängendes Bedürfnis für die Bildung der beiden Gruppen sei nicht zu erkennen, so die Hamburger Richter. Der Umstand, dass § 19 RTV Teil eines Kollektivvertrages ist und die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien zu respektieren ist, ändere daran nichts.

Fazit

Ob das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg „hält“, ist ungewiss. Nach dem Urteil des EuGH vom 12.10.2010 schien eine gewisse Rechtssicherheit zu bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit von Altersgrenzenregelungen, die auf die Regelaltersgrenze abstellen. Nun werden sich das Landesarbeitsgericht, wahrscheinlich das BAG und möglicherweise sogar das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigen müssen.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Die Befristung von Arbeitsverträgen ist grundsätzlich zulässig – ohne besondere Rechtfertigung jedoch nur bis zur Dauer von zwei Jahren. Für eine länger andauernde Befristung ist gemäß § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein sachlicher Grund erforderlich. In § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sind verschiedene mögliche Sachgründe aufgezählt. Gemäß Ziffer 7 der Vorschrift liegt ein sachlicher Grund dann vor, wenn „der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird“.

Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit europäischem Unionsrecht und hat daher den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung über diese Frage ersucht (BAG 27.10.2010 – 7 AZR 485/09 (A)).

Arbeitnehmerin hatte Entfristungsklage eingelegt

Das BAG hatte über eine sog. Befristungskontrollklage (auch Entfristungsklage genannt) zu entscheiden. Die Klägerin war bei dem beklagten Land in der Zeit von Juli 1996 bis Dezember 2006 als Justizangestellte beschäftigt, jeweils auf Grundlage von (insgesamt 13) befristeten Arbeitsverträgen. Maßgeblich für das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG ist stets der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag. Das beklagte Land berief sich darauf, dass der Haushaltplan vorsah, dass für das Jahr 2006 vorübergehend frei werdende Haushaltsmittel für die Beschäftigung von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden können.

EU-Richtlinie: Missbräuchliche Kettenbefristungen sind zu vermeiden

Nach § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 sind die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Mit dieser grundsätzlichen Verpflichtung könnte § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes unvereinbar sein, weil der sachliche Grund in Ziffer 7 nur dem öffentlichen Dienst offen steht. In der Privatwirtschaft dagegen ist die Regelung nicht anwendbar. In der Vergangenheit hielt das BAG die Bevorzugung öffentlicher Arbeitgeber gerechtfertigt, weil diese anders als private Arbeitgeber nur Verpflichtungen eingehen dürfen, die haushaltsrechtlich gedeckt sind  (BAG, Urteil vom 14.02.2007 – 7 AZR 193/06). Dem höchsten deutschen Arbeitsgericht sind nun aber offenbar Zweifel gekommen, ob aufgrund der oben genannten Richtlinie die Auffassung noch weiter Bestand haben soll.

Bereits jetzt restriktive Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 TzBfG

Der in § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 genannte sachliche Grund wird bereits jetzt vom BAG sehr restriktiv angewendet. So hält es das BAG zum Beispiel für erforderlich,  dass die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die befristete Beschäftigung mit einer erkennbaren Zwecksetzung für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer gegeben ist (BAG 2. 9. 2009 – 7 AZR 162/08).

Wichtig: 3-wöchige Klagefrist

Für viele Arbeitnehmer deren aus haushaltsrechtlichen Gründen befristete Arbeitsverträge auslaufen, kann es ratsam sein, eine Entfristungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Die Arbeitsgerichte werden eine solche Klage derzeit grundsätzlich nicht sofort abweisen. Liegen nämlich die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht vor, ist der Klage stattzugeben (d.h., das Gericht stellt fest, dass der Arbeitsvertrag über das Fristende hinaus fortbesteht), liegen sie dagegen vor, wird das Gericht das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen. Betroffene Arbeitnehmer müssen jedoch schnell entscheiden, ob sie Klage erheben wollen. Gemäß § 17 TzBfG gilt die Befristung nämlich als zulässig, wenn nicht innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage erhoben worden ist.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung entsteht, nachdem eine Weihnachtsgeldzahlung dreimal hintereinander vorbehaltlos vom Arbeitgeber gewährt wird. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun entschieden, dass diese Regel auch für das an Betriebsrentner gezahlte Weihnachtsgeld gilt. Weiterlesen

In seiner Entscheidung  vom 18.3.2009 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer sog. gegenläufigen betrieblichen Übung geändert. Nach der vorgenannten Entscheidung können durch betriebliche Übung entstandene Ansprüche auf Weihnachtsgeld oder sonstige Gratifikationszahlungen ohne Zustimmung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht mehr erlöschen.

Betriebliche Übung

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt und die Arbeitnehmer daher annehmen dürfen, ihnen solle eine bestimmte Leistung auf Dauer gewährt werden. Bei Gratifikationen wie zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld gilt die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung der Leistung zur Verbindlichkeit erstarkt.

Möglichkeit der gegenläufigen betrieblichen Übung nach der alten Rechtsprechung

Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG konnte eine betriebliche Übung durch eine sog. gegenläufige betriebliche Übung beendet werden (Urteil vom 26.3.1997 – 10 AZR 612/96). Bei Gratifikationszahlungen wurde eine gegenläufige betriebliche Übung dann angenommen, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, die Zahlung der Gratifikation sei eine freiwillige Leistung, auf die zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe, und der Arbeitnehmer dem über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprochen hat. Auf Grund der dadurch zu Stande gekommenen konkludenten Vereinbarung sei der Arbeitgeber nicht mehr zur Zahlung der Gratifikation verpflichtet. Durch die dreimalige widerspruchslose Annahme einer ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation schaffe der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Dieser habe auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers keine Veranlassung, eine ausdrückliche Änderung der vertraglichen Abrede herbeizuführen.

Trotz erheblicher Kritik an dieser Rechtsprechung hat das BAG an der Möglichkeit einer gegenläufigen betrieblichen Übung zunächst festgehalten. Jedoch verschärfte es die Anforderungen. Es verlangte nämlich in seinem Urteil vom 04.05.1999 (Az.: 10 AZR 290/98), dass der Arbeitgeber nicht nur deutlich machen muss, dass er die Gratifikationszahlung künftig unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit der Leistung zahlen will, sondern darüber hinaus seinen Arbeitnehmern unmissverständlich erklären muss, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Zahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht.

Neue Rechtsprechung

In dem eingangs erwähnten Urteil vom 18.3.2009 hat das BAG von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Verschlechterung oder Beseitigung vertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sonderzahlungen (hier Weihnachtsgeld) durch eine gegenläufige betriebliche Übung nun doch Abstand genommen. Eine dreimalige widerspruchslose Annahme eines vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Weihnachtsgeldes kann danach nicht mehr den Verlust eines durch betriebliche Übung entstandenen Anspruchs auf die Sonderzahlung bewirken. Als Grund gibt das höchste deutsche Arbeitsgericht an, das Konstrukt der gegenläufigen betrieblichen Übung erfüllte nicht die Voraussetzungen des aufgrund des zum 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch für Arbeitsverträge anwendbaren § 308 Nr. 5 BGB.

Fiktionswirkung bei Schweigen nur unter den engen Voraussetzungen des § 308 Nr. 5 BGB möglich

Gemäß § 308 Nr. 5 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Die Bestimmung bezweckt, dass der zu den wesentlichen Prinzipien des Privatrechts gehörende Grundsatz, wonach Schweigen keine Willenserklärung ist, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur in engen Grenzen änderbar ist. Die Vorschrift verbietet den Vertragsparteien zwar nicht, zu vereinbaren, dass das Schweigen einer Partei zu einem Antrag der anderen Partei als Annahmeerklärung anzusehen ist. Die Vorschrift untersagt fingierte Erklärungen jedoch für den Fall, dass die drohende Fiktionswirkung dem Vertragspartner des Klauselverwenders nicht hinreichend bewusst gemacht und ihm keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird.

Soll eine an ein Schweigen geknüpfte Fiktionswirkung eintreten, muss dies nach § 308 Nr. 5 BGB nicht nur von den Vertragsparteien vereinbart worden sein. Nach dieser Vorschrift muss der Klauselverwender sich darüber hinaus verpflichtet haben, seinen Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Schweigens besonders hinzuweisen. Schließlich muss dieser Hinweis auch tatsächlich und in einer Form erfolgen, die unter normalen Umständen Kenntnisnahme verbürgt. Ist der Hinweis ordnungsgemäß erfolgt, tritt die vereinbarte Erklärungsfiktion wiederum dann nicht ein, wenn sich der Klauselverwender nicht entsprechend vertraglich dazu verpflichtet hat.

Daran gemessen reicht die für die nach früherer Rechtsprechung für die Annahme einer gegenläufigen betrieblichen Übung genügende dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber mit oben beschriebenen Hinweis gezahlten Gratifikation nicht aus, um eine durch betriebliche Übung entstandene Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung zu beenden. Es fehlt nämlich bereits an einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Änderungsangebot des Arbeitgebers als Annahme des Angebots gilt. Erforderlich für die Beseitigung eines durch betriebliche Übung entstandenen Anspruchs ist vielmehr eine entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien oder aber eine Änderungskündigung. Letztere darf jedoch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht sozial ungerechtfertigt nach § 1 KSchG sein.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg


Wer während seines Berufslebens gut verdient hat und von seinem damaligen Arbeitgeber eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung erhalten hat, sollte überprüfen, ob die Zusage eine sogenannte gespaltene Rentenformel enthält. Falls ja, hat er gute Aussichten auf eine wesentlich höhere Betriebsrente – jedenfalls dann, wenn er nach dem 31.12.2002 in Rente gegangen ist. In einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (Urteil vom 21.04.2009, Az.: 3 AZR 695/08) wurde dem klagenden Rentner eine Betriebsrentenerhöhung von monatlich über 200 Euro zugesprochen.

Versorgungszusage mit gespaltener Rentenformel

Die Zusage auf betriebliche Altersversorgung muss eine gespaltene Rentenformel enthalten. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Höhe der Betriebsrente vom während der Beschäftigung erzielten Einkommen abhängig ist und für Gehaltsteile über der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (BBG) ein höherer Versorgungsprozentsatz festgelegt ist als für Gehaltsteile bis zur BBG. Die BBG bestimmt, bis zu welchem Betrag Pflichtbeiträge an den Rentenversicherungsträger abgeführt werden müssen. Das Bruttogehalt, welches über der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze liegt, bleibt bei der Berechnung des Rentenversicherungsbeitrags unberücksichtigt.

Außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze

Die Beitragsbemessungsgrenze wird jährlich in dem Verhältnis angepasst, in dem die durchschnittlichen Bruttogehälter des Vorjahres zu den durchschnittlichen Bruttogehältern des vorvergangenen Jahres stehen. Bei der Festlegung der BBG für das Jahr 2003 wurde jedoch von diesem tradiditionellen Prinzip abgewichen. Durch das Beitragssicherungsgesetz vom 23.12.2002 wurde vielmehr bestimmt, dass die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 bei 5.100 Euro monatlich liegt. Bei regulärer Anpassung wäre die Grenze lediglich auf 4.600 Euro gestiegen.

Neuberechnung der Betriebsrente

Bei der Berechnung von Leistungen, die auf Zusagen mit gespaltener Rentenformel beruhen, würden bei Abstellen auf die tatsächliche BBG diejenigen Rentner erheblich benachteiligt, die nach dem 31.12.2002 die betriebliche Altersrente in Anspruch genommen haben. Der Grund hierfür liegt darin, dass der stärker berücksichtigte Gehaltsteil über der BBG übermäßig deutlich sank, wodurch auch die errechnete Betriebsrente entsprechend niedriger ausfallen würde. Dies sei bei Erteilung der Versorgungszusage nicht beabsichtigt gewesen, so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21.04.2009. Es bestünde eine planwidrige Regelungslücke, welche durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden müsse. Hierzu sei der Betrag um den sich die Beitragsbemessungsgrenze außerplanmäßig erhöht habe, also 500 Euro monatlich, von der jeweils gültigen BBG abzuziehen. Im Gegenzug müsse allerdings berücksichtigt werden, um welchen Betrag die gesetzliche Altersrente durch den BBG-Sprung gestiegen ist.

Tipp: Genaue Durchsicht der Versorgungsordnung

Ist eine Neuberechnung der betrieblichen Altersrente durchzuführen, hat dies in jedem Fall eine Erhöhung der Betriebsrente zur Folge. Betriebsrentner, die im Jahr 2003 oder später in Rente gegangen sind, sollten daher dringend prüfen, ob in dem  zugrunde liegenden Pensionsplan eine gespaltene Rentenformel bestimmt ist. Neben der höheren Betriebsrente für die Zukunft winkt auch eine Nachzahlung für die Vergangenheit – jedenfalls soweit die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Achtung: Mittlerweile ist das BAG von seiner Rechtsprechung abgerückt. Siehe Nachtrag zum Artikel „bAV: Neues BAG-Urteil zu den Auswirkungen der außerplanmäßigen Erhöhung der BBG auf Zusagen mit gespaltener Rentenformel“.

Aufgrund des Zuflussprinzips und der Steuerprogression im deutschen Einkommenssteuerrecht können verspätete Rentenanpassungen für Betriebsrentner zu negativen Folgen in Form von Steuerschäden führen.

Steuerschäden wegen verspäteter Rentenanpassung sind vom Arbeitgeber zu ersetzen (BAG-Urteil vom 28.10.2008 – Az.: 3 AZR 171/07).

In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall sprach das Gericht einem Betriebsrentner, dessen Rentenanpassungen neun Jahre zu gering ausgefallen waren und dies dann durch eine Einmalzahlung kompensiert werden sollte, einen Schadensersatzanspruch gegen seinen früheren Arbeitgeber in Höhe seines steuerlichen Progressionsnachteils zu.

Laufende Betriebsrenten müssen gemäß § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) vom früheren Arbeitgeber grundsätzlich hinsichtlich ihrer Höhe überprüft werden (sog. Anpassungsprüfungspflicht). Hierbei sind die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Ergibt die Anpassungsprüfung, dass die laufende Betriebsrente zu erhöhen ist und leistet der Arbeitgeber die Erhöhungsbeträge erst im Folgejahr oder noch später, kann dem Rentner aufgrund der Steuerprogression ein Steuerschaden entstehen. Das BAG hat nun entschieden, dass ein solcher Steuerschaden vom früheren Arbeitgeber zu ersetzen ist.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg