Markenartikel und Luxusgüter benötigen häufig eine spezielle (Verkaufs-) Beratung oder ein besonderes Handling. Um den hohen Ansprüchen beim Verkauf gerecht zu werden, erfolgt der Vertrieb nicht über alle, sondern nur über bestimmte Händler. Diese Vertragshändler werden nach qualitativen Kriterien ausgesucht und schließen einen Vertriebsvertrag oder Depositärvertrag mit dem Produzenten / Lieferanten ab. In diesem Verträgen sind die Rahmenbedingungen für den Vertrieb und die Belieferung zu regeln.

Von welcher entscheidenden Bedeutung die richtigen Vorgaben in Verträgen über den selektiven Vertrieb sind, zeigt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) – Az.: C-127/09 vom 3. Juni 2010.

In dem Ausgangsverfahren ging es um den folgenden Sachverhalt:

Ein Schweizer Unternehmen hatte in Deutschland „Parfümtester“ der Marke Davidoff Cool Water Men, also Originalflakons mit Originalparfüm, angeboten und verkauft. Allerdings lag dem Schweizer Unternehmen dafür keine ausdrückliche Genehmigung der Inhaber der Marke „Davidoff“ vor. Der Markeninhaber – die Coty Prestige Lancaster Group GmbH – stellte fest, dass die Parfümtester an einen ihrer in Singapur ansässigen Depositäre geliefert worden war.

Coty Prestige verlangte daraufhin gerichtlich von dem Schweizer Unternehmen, es zu unterlassen, solche Parfümtester ohne ihre Zustimmung erstmals in der EG oder dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) in den Verkehr zu bringen.

Das Schweizer Unternehmen – die Simex Trading AG – verteidigte sich mit dem Argument, dass die Markenrechte von Coty Prestige erschöpft seien, weil die Tester mit ihrer Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden waren.

Erste Instanz: Eintritt der Erschöpfung durch Übertragung von Verfügungsgewalt

Zunächst hatte das Landgericht Nürnberg in der Sache zu entscheiden. Das Gericht prüfte, ob tatsächlich eine Erschöpfung bezüglich der Markenrechte eingetreten war. Die Markenrechte erschöpfen sich, wenn die Waren, auf der sich die Marke befindet, vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung in einem Vertragsstaat in den Verkehr gebracht wurden. Die Klage wäre daher ohne Erfolg gewesen, wenn die Tester mit Zustimmung von Coty Prestige in den Verkehr gebracht wurden.

Das Landgericht wies die Klage ab und begründete dies wie folgt: Da Coty Prestige ihren Depositären das in den Testern befindliche Parfüm zum Verbrauch überlassen habe, sei die tatsächliche Verfügungsgewalt an dem Parfüm auf die Depositäre übergegangen. Dies sei ausreichend für das erforderliche „Inverkehrbringen“ nach den einschlägigen Vorschriften.

Das Gericht entschied auch, dass die Klauseln in den Verträgen zwischen Coty Prestige und ihren Depositären, die den Umgang mit den Tester betreffen, keinen Einfluss auf die Entscheidung hätten. In den Verträgen war vereinbart, dass Coty Prestige Inhaberin der Tester bleibt und ein Verkauf der Tester untersagt ist. Das Landgericht war der Ansicht, dass eine solche vertragliche Klausel den gesetzlichen Erschöpfungsgrundsatz nicht einschränken könne.

Zweite Instanz: Wann ist eine „Erschöpfung der Markenrechte“ gegeben?

Das zweitinstanzliche Gericht, das Oberlandesgericht Nürnberg, folgte dieser Auffassung nicht. Es war der Meinung, dass es für ein „Inverkehrbringen“ nicht ausreichend sei, dass die Verfügungsgewalt übertragen wird. Es müsste darüber hinaus auch die Realisierung des wirtschaftlichen Wertes ermöglicht werden.

Letzteres sei jedoch durch die vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen, wonach Coty Prestige Inhaberin der Tester blieb und deren Verkauf untersagte. Außerdem sei dies auch durch die Aufdrucke „Demonstration“ und „unverkäuflich“ auf den Testern deutlich gemacht.

Um die Voraussetzungen für das Vorliegen der „Erschöpfung“ feststellen zu lassen, legte das Oberlandesgericht Nürnberg dem EuGH die entsprechende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vor.

EuGH: Umstände sprechen deutlich gegen konkludente Zustimmung

Der EuGH führt zunächst aus, dass sich grundsätzlich aus bestimmten Anhaltspunkten und Umständen ergeben kann, dass eine konkludente Zustimmung für das Inverkehrbringen im EWR gegeben und damit Erschöpfung eingetreten ist.

Im vorliegenden Fall kann der EuGH solche Umstände jedoch nicht erkennen. Coty Prestige habe durch die Angaben „Demonstration“ und „unverkäuflich“ auf den Testern deutlich den Willen zum Ausdruck gebracht, dass diese weder außerhalb oder noch innerhalb des EWR verkauft werden sollen.

Der EuGH weist dabei deutlich darauf hin, dass es in diesem Fall nicht darauf ankommt, ob Coty Prestige die Tester an einen Depositär im EWR oder außerhalb desselben verkauft hat. Entscheidend ist, dass die Tester als „unverkäuflich“ gekennzeichnet waren.

Von dem Vorliegen einer konkludenten Zustimmung ist daher – so der EuGH – nicht auszugehen.

Im Rahmen der Frage, wann von einer konkludenten Zustimmung auszugehen ist, weist der EuGH auf die folgenden Fälle hin, die alleine nicht auf eine Zustimmung hindeuten:

– Wenn der Markeninhaber gegenüber seinen außerhalb des EWR ansässigen Abnehmern einem Vertrieb im EWR nicht widerspricht;
– Wenn der Markeninhaber das Vertriebsverbot im EWR nicht auf den Waren angibt;
– Wenn der Markeninhaber die Markenware ohne vertragliche Beschränkung übertragen hat und das anwendbare Recht den weiteren Vertrieb der Ware im EWR umfasst.

Fazit:

Will der Markeninhaber seinen Abnehmern oder Depositären Vorgaben zum Vertrieb machen (selektiver Vertrieb) sollte er in den vertraglichen Vereinbarungen (häufig Depositärverträge genannt) auch Vorgaben dazu machen, wie mit Werbematerialien, wie z.B. Testware, umzugehen ist. Sowohl die Eigentumsfrage als auch die Verwertbarkeit ist zu klären.

Durch den Einfluss dieser vertraglichen Bestimmungen auf markenrechtliche Vorschriften – und bei Vorliegen der weiteren notwendigen Voraussetzungen – kann Dritten der Vertrieb von Ware, die beim Depositär erworben wurde, mit dem Hinweis auf eine Markenverletzung untersagt werden.

Rechtsanwalt Dr. Heiner Heldt, LL.M., Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz berät im Markenrecht und beim Aufbau und der Durchsetzung von selektiven Vertriebsstrukturen.

Themen: Rechtsanwalt, Markenrecht, Markenverletzung, selektiver Vertrieb, Kartellrecht

04/2011 heldt & zülch Rechtsanwälte, Hamburg, Lüneburg

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