Wird von einem Arbeitnehmer die Korrektur der Leistungsbeurteilung in einem Arbeitszeugnis angestrebt, so stellt sich die Frage, wer in welchem Fall darlegungs- und beweisbelastet ist. Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil vom 21.03.2013 (Az. 18 Sa 2133/12) die bemerkenswerte Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.10.2012 (28 Ca 18230/11) bestätigt.

Ein möglichst gutes Arbeitszeugnis wird für den weiteren Werdegang des Arbeitnehmers immer noch als sehr wichtig eingeschätzt. Obwohl der Arbeitgeber bei der Zeugniserteilung an die Wahrheitspflicht gebunden ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine wohlwollende Beurteilung, die ihm für die Zukunft keine Steine in den Weg legt (LAG Hamm, Urteil vom 27. 2. 1997 – 4 Sa 1691/96).

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Weicht die Bewertung des Arbeitgebers negativ von der erbrachten Leistung ab, so kann der Arbeitnehmer eine Korrektur des Zeugnisses verlangen und auch gerichtlich geltend machen. Da es unter Umständen sehr schwierig sein kann, zu beweisen, dass eine Leistung der einen oder anderen Beurteilung entspricht, spielt es für den Erfolg einer solchen Klage eine große Rolle, wer vortragen und beweisen muss, dass die bescheinigten Leistungen von den tatsächlich erbrachten Leistungen abweichen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu den Grundsatz entwickelt, dass derjenige darlegungs- und beweispflichtig ist, der eine Beurteilung abseits des „guten Durchschnitts“ vergibt oder fordert. Möchte der Arbeitgeber also eine Leistung bescheinigen, die unter dem „guten Durchschnitt“ liegt, so muss er darlegen und beweisen, warum der Mitarbeiter unterdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Dagegen trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs-und Beweislast, wenn er ein überdurchschnittliches Zeugnis erstreiten möchte (Urteil vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03). Das BAG ist in dem vorgenannten Urteil davon ausgegangen, dass die Formulierung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ (also ohne den Zusatz „stets“, „durchgehend“ oder „immer“), einer gut durchschnittlichen Leistung entspricht. Auch die Arbeits- bzw. Landesarbeitsgerichte sind bisher davon ausgegangen, dass eine gut durchschnittliche Leistung gleichzusetzen ist mit einem „befriedigend“ also im Rahmen der von der Praxis verwendeten fünfstufigen Notenscala mit einem „zu unserer vollen Zufriedenheit“. Die Darlegungs- und Beweislast für eine mit der Formulierung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ lag damit gemäß der bisherigen Rechtsprechung beim Arbeitnehmer.

Eine empirische Studie der Uni Erlangen aus dem Jahr 2011 hat allerdings gezeigt, dass 85,6 Prozent der Arbeitnehmer inzwischen mit den Noten „gut“ und „sehr gut“ also mit einem „stets zu unserer vollen Zufriedenheit oder einem „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ beurteilt werden und lediglich 13,4 Prozent der Beschäftigten mit den Noten „befriedigend“ oder schlechter.

Das Arbeitsgericht Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg haben in ihren Urteilen aus der empirischen Studie geschlossen, dass eine mit der Formulierung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ ausgewiesene Leistungsbeurteilung nicht mehr in dem vom BAG als maßgeblich erachteten „guten Durchschnitt“ liege. Die in den Arbeitszeugnissen ausgewiesene durchschnittliche Leistung der Arbeitnehmer sei gemäß der empirischen Studie mittlerweile im „Gut-Bereich“ anzusiedeln. Das Arbeitsgericht Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg legen die Rechtsprechung des BAG daher dahingehend aus, dass eine gute Leistung nun nicht mehr der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss. Vielmehr müsse der Arbeitgeber darlegen und ggf. beweisen, dass der Arbeitnehmer keine gute Leistungen erbracht hat. Dem Arbeitnehmer könne nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür aufgebürdet werden, dass er zu Unrecht in die Gruppe der schwächsten 13,4 Prozent aller Beschäftigten eingereiht worden sei.

Gegen das Berufungsurteil hat der Arbeitgeber jedoch Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt (Aktenzeichen beim BAG: 9 ARZ 584/13). Schließt sich das BAG dem LAG Berlin-Brandenburg an, dürfte die Zahl der Arbeitnehmer, deren Leistung mit der Note befriedigend oder schlechter bewertet wird, weiter sinken. Die Leistungsbeurteilung in Arbeitszeugnissen würde dann mehr und mehr nur noch auf ein Ausschlusskriterium reduziert werden. Umso wichtiger ist es natürlich für die Arbeitnehmer, ein Arbeitszeugnis mit einer „guten“ oder „sehr guten“ Leistungsbeurteilung zu erhalten.

Wenn Sie Fragen zur Gestaltung oder Auslegung eines Arbeitszeugnisses haben oder einem Rechtsstreit über einen Zeugnisberichtigungsanspruch führen wollen oder einem solchen ausgesetzt sind, unterstützen wir Sie gerne. Rufen Sie einfach an oder schreiben uns eine E-Mail.

Julia Schmegner, Rechtsreferendarin am OLG Celle, Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Nachtrag: Mit Urteil vom 18.11.2014 hat das Bundesarbeitsgericht der Revision des Arbeitgebers stattgegeben und die Sache an das LAG Berlin-Brandenburg zurück verwiesen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine „gute“ oder „sehr gute“ Leistungsbeurteilung beim Arbeitnehmer.

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