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Ein Arbeitnehmer, der eine Person, die in einer Kundenbeziehung zum Arbeitgeber steht, als Arschloch bezeichnet, schafft einen Sachverhalt, der eine fristlose Kündigung begründen kann. Bei der Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist jedoch zu beachten, ob der Arbeitnehmer überhaupt die Funktion und Stellung der Person, die er beleidigte, erkannte und ob es sich um ein einmaliges Versagen handelte. Im Einzelfall kann deshalb zunächst der Ausspruch einer Abmahnung als Reaktion auf die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers in Betracht kommen.

Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 08.04.2010, Sa 474/09) entschied zugunsten des Arbeitnehmers bei einer Beleidigung eines Kundenmitarbeiters durch den Arbeitnehmer als „Arschloch“.

Kunde „Arschloch“ genannt – fristlose Kündigung

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung. Der Kläger ist als Kraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Logistikzentrum. Bei der Belieferung eines Kunden wurde dem Kläger von einer ihm unbekannten Person die Zufahrt auf das Parkdeck verwehrt. Diese Person war ein Mitarbeiter des Kunden. Als dieser Mitarbeiter den Kläger an der Weiterfahrt hindern wollte, kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung in deren Verlauf der Kläger den Mitarbeiter mehrfach als „Du Arsch“ oder „Arschloch“ bezeichnete und entgegen der Anordnung des Mitarbeiters seine Fahrt auf das Parkdeck fortsetzte. Eine Woche nach dem Vorfall kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Sie meint, dass diese mehrfache und zügellose Beleidigung einen wichtigen Kündigungsgrund darstelle, da die Beleidigungen schwerwiegend seien und die Kundenbeziehung dadurch in Gefahr geriete. Der Arbeitnehmer reichte Kündigungsschutzklage ein.

Voraussetzungen für fristlose Kündigung nach § 626 BGB nicht erfüllt

Das Arbeitsgericht Neumünster (Urteil vom 28.10.2009, 1 Ca 511b/09) hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem LAG Schleswig-Holstein blieb erfolglos. Das LAG sieht die Vorgaben des § 626 Abs. 1 BGB und damit die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung als nicht erfüllt an.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der § 626 Abs. 1 BGB kennt dabei aber keinen absoluten Kündigungsgrund. Jede außerordentliche Kündigung setzt eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall voraus. Danach kann es angezeigt sein, den Arbeitnehmer zunächst abzumahnen. Diese Notwendigkeit folge aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer fristlosen Kündigung genommen werden können. Allerdings bedürfen besonders schwere Verstöße keiner vorherigen Abmahnung, weil dabei der Arbeitnehmer von vorne herein nicht mit der Billigung seines Verhaltens rechnen kann oder er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt.

Je nach Umständen des Einzelfalls kann Abmahnung ausreichend sein

Hier entschied das LAG Schleswig-Holstein, dass nicht pauschal auf die Beleidigung abgestellt werden darf. Drohe der Verlust des Arbeitsplatzes müssen alle Umstände herangezogen werden, die zu der Pflichtwidrigkeit geführt haben. Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit sei ebenso zu berücksichtigen, wie die Prognose für die Zukunft. Einmaliges und erstmaliges Verhalten könne mit einer Abmahnung ausreichend geahndet werden und sei nicht geeignet, ein Arbeitsverhältnis so nachhaltig zu stören, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre.

Kathrin Schütze, Rechtsreferendarin am OLG Schleswig,

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg