Um neue Mitarbeiter zu gewinnen bzw. bewährte Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, wird besonders in Branchen, die unter Fachkräftemangel leiden, vermehrt eine betriebliche Krankenversicherung (bKV) gewährt. Bei einer betrieblichen Krankenversicherung schließt der Arbeitgeber mit einem Krankenversicherungsunternehmen Versicherungsverträge, nach welchen den Arbeitnehmern Leistungen gewährt werden, die über die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen. Versichert werden zum Beispiel ambulante Zusatzleistungen (Sehhilfen, alternative Heilmethoden), Zahnersatz, stationäre Zusatzleistungen (Chefarztbehandlung, 1- oder 2-Bett Zimmer) und nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommene Vorsorgeleistungen (Zahnreinigung, Schutzimpfungen). Der Arbeitnehmer hat dabei auf die vereinbarten Versicherungsleistungen in der Regel einen unmittelbaren Rechtsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen.
Mögliche Rechtsbegründungsakte
Für die Begründung eines Anspruchs auf Leistungen einer betrieblichen Krankenversicherung kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht.
- Tarifvertrag: Denkbar ist, dass die betriebliche Krankenversicherung in einem Tarifvertrag geregelt wird. Das ist in der Praxis allerdings äußerst selten.
- Betriebsvereinbarung: Sofern ein Betriebsrat besteht, hat dieser gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Versorgungsordnung zur betrieblichen Krankenversicherung (z.B. hinsichtlich der Art der Versicherungsleistung und etwaiger Verteilungsgrundsätze). Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht hingegen hinsichtlich des Budgets, welches der Arbeitgeber für die betriebliche Krankenversicherung verwenden will.
- Gesamtzusage: Ist kein Betriebsrat vorhanden, bietet sich an, die betriebliche Krankenversicherung durch eine Gesamtzusage zu begründen. Bei einer Gesamtzusage werden Leistungen vom Arbeitgeber zugesagt, ohne dass es einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des einzelnen leistungsberechtigten Arbeitnehmers bedarf (§ 151 BGB). Das Vertragsverhältnis kommt durch eine stillschweigende Annahmeerklärung des Arbeitnehmers zustande, sofern er die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (z.B. wenn die Versorgungsordnung zur betrieblichen Krankenversicherung am „schwarzen Brett“ ausgehängt ist) und sich seine wirtschaftliche Lage durch die Zusage verbessert. In der Praxis empfiehlt es sich jedoch, den Anspruch auf eine betriebliche Krankenversicherung von der Unterzeichnung einer Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers abhängig zu machen. In einer solchen Einwilligungserklärung erklärt der Arbeitnehmer dann insbesondere sein Einverständnis zur Weitergabe von personenbezogenen Daten. Sowohl bei der Gestaltung einer Gesamtzusage als auch bei der individuellen Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers sind – anders als bei einer Betriebsvereinbarung – die Verbraucherschutzbestimmungen für die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB zu beachten.
- Betriebliche Übung: Sagt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern nicht ausdrücklich Leistungen einer betrieblichen Krankenversicherung zu, gewährt sie aber dennoch, kann sich ein dauerhafter Anspruch aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung ergeben. Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt und die Arbeitnehmer aufgrund dessen annehmen dürfen, dass ihnen bestimmte Leistungen auf Dauer gewährt werden.
- Gleichbehandlungsgrundsatz: Ein Anspruch aus Leistungen der betrieblichen Krankenversicherung kann sich auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch sachfremde Gruppenbildung (BAG, Urteil vom 21.01.2014 – 3 AZR 362/11). Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz haben zur Folge, dass die benachteiligten Arbeitnehmer die Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen worden sind, also die Leistungen, welche die begünstigten Arbeitnehmer erhalten haben (BAG, Urteil vom 16.06.2010 – 4 AZR 928/08).
Haftungsrisiken
Es besteht ein hohes Haftungsrisiko, wenn bestimmte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von der betrieblichen Krankenversicherung ausgeschlossen wurden, ohne dass es hierfür einen anerkannten Rechtfertigungsgrund gibt. Bei einer unzulässigen Ungleichbehandlung muss der Arbeitgeber nämlich möglicherweise unmittelbar für Krankheitskosten in erheblichem Umfang aufkommen, weil eine entsprechende Versicherung für den betreffenden Arbeitnehmer gar nicht abgeschlossen wurde. In der Praxis werden zum Beispiel häufig geringfügig Beschäftigte (sog. Minijobber) von der betrieblichen Krankversicherung ausgenommen. Hierin liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG (so das LAG München hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung in seinem Urteil vom 13.01.2016 – 10 Sa 544/15, die unter dem Az. 3 AZR 83/16 beim BAG anhängig gemachte Revision wurde zurückgenommen).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass in dem Versicherungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Versicherer in der Regel eine bestimmte Laufzeit geregelt ist. Wird der Versicherungsvertrag nicht über die ursprüngliche Laufzeit hinaus verlängert und versäumt es der Arbeitgeber, in seiner Zusage zur betrieblichen Krankenversicherung eine entsprechende Befristung zu bestimmen, besteht die Gefahr, dass nach Beendigung des Versicherungsvertrages die arbeitsrechtliche Zusage auf betriebliche Krankenversicherung noch fortbesteht und die Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen können.
Exkurs: Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
Die vom Arbeitgeber an das Krankenversicherungsunternehmen gezahlten Beiträge sind als Betriebsausgaben absetzbar, es sei denn, sie sind nicht betrieblich veranlasst. Für den Arbeitnehmer sind die Versicherungsbeiträge grundsätzlich als geldwerter Vorteil zu versteuern und in allen Zweigen der Sozialversicherung zu verbeitragen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist jedoch die 44-Euro-Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 S. 11 EStG anwendbar. Findet die 44-Euro-Freigrenze keine Anwendung kann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch eine Nettolohnversteuerung vereinbart werden. In dem Fall trägt der Arbeitgeber sowohl die Steuern als auch den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung (neben dem ohnehin zu zahlenden Arbeitgeberanteil). Zu beachten ist allerdings, dass die Übernahme der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber ebenfalls einen zusätzlichen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer darstellt. Dieser geldwerte Vorteil ist wiederum zu versteuern und zu verbeitragen. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt auch eine Pauschalversteuerung in Betracht. Allerdings ist hierfür die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsstättenfinanzamts einzuholen.
Fazit
Die betriebliche Krankenversicherung wird angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels weiter an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus stellt die betriebliche Krankenversicherung eine sinnvolle Alternative zu einer Gehaltserhöhung dar. Allerdings ist sowohl bei der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Zusage auf eine betriebliche Krankenversicherung als auch bei der Auswahl des Krankenversicherungsunternehmens Sorgfalt geboten. Neben dem Verzicht auf Wartezeiten und eine Gesundheitsprüfung sollte die Vereinbarung mit dem Versicherer Einheitsbeiträge pro Mitarbeiter und Leistungsbaustein beinhalten. Der Versicherungsbeitrag sollte also auf Unisex- und Uniage-Tarifen beruhen.
Wenn Sie Fragen zu den arbeitsrechtlichen Aspekten der betrieblichen Krankenversicherung haben, rufen Sie uns gerne an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Insbesondere unterstützen wir Sie gerne bei der Erstellung einer Zusage auf eine betriebliche Krankenversicherung in Form einer Betriebsvereinbarung oder in Form einer Gesamtzusage.
Jan Zülch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg