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Kurzarbeit wegen Corona-Krise: Die wichtigsten Fakten

Die COVID-19-Pandemie hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. In sehr vielen Branchen fällt wegen der „Corona-Krise“ ein erheblicher Teil der Arbeit weg. Wie schon während der Finanzkrise 2008/2009 kommt es für betroffene Arbeitgeber in Betracht, zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen in ihrem Unternehmen Kurzarbeit einzuführen. Im Folgenden geben wir Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Kurzarbeit.

1. Kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung der Arbeitnehmer Kurzarbeit einführen?

Nein, der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit grundsätzlich nicht im Rahmen seines Direktionsrechts einseitig anordnen (BAG, Urteil vom 14.02.1991 –2 AZR 415/90). Vielmehr ist für die Kurzarbeit die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Möglich ist es jedoch, bereits im Arbeitsvertrag zu bestimmen, dass der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit einführen darf (durch eine sog. „Kurzarbeiterklausel“). Allerdings ist bei Arbeitgebern mit Betriebsrat zu beachten, dass dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Das Recht des Arbeitgebers, Kurzarbeit einzuführen, kann auch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung begründet sein. In einer Dienstvereinbarung kann das Recht des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit hingegen nicht wirksam bestimmt werden, da im BPersVG eine § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entsprechende Norm fehlt.

Ohne rechtliche Grundlage zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit, ist für die Durchführung von Kurzarbeit während der Corona-Krise bei Unternehmen ohne Betriebsrat eine gesonderte Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schließen. Diese Vereinbarung kann zwar mündlich und auch konkludent geschlossen werden, es empfiehlt sich jedoch die Vereinbarung schriftlich oder in Textform zu schließen. Sofern ein Betriebsrat besteht, sollte die Einführung von Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die Betriebsvereinbarung muss die sich aus der Kurzarbeit ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für Arbeitnehmer zuverlässig erkennbar sind (BAG, Urteil vom 18.11.2015 –5 AZR 491/14).

2. Welche Voraussetzungen müssen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld vorliegen?

Nachstehend sind die wichtigsten Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld aufgeführt.

  • Wie oben unter Ziffer 1 erläutert, muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Einführung der Kurzarbeit vereinbart sein (einzelvertraglich oder kollektivvertraglich).
  • Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen. Gemäß § 96 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsausfall erheblich, wenn nachstehen aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sind.
    • Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis.
    • Der Arbeitsausfall ist nur vorübergehend.
    • Der Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar. Der Arbeitsausfall ist beispielsweise dann vermeinbar, wenn ein Arbeitszeitguthaben besteht, keine der in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III bestimmten Fallgruppen erfüllt ist und die Arbeitszeitkonten zur betrieblichen Flexibilisierung der Arbeitszeit begründet wurden. Positive Arbeitszeitsalden stehen der Inanspruchnahme von Kurzarbeit hingegen dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer frei über deren Abbau entscheiden darf.
    • Im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) ist mindestens ein Drittel* der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen.
  • Der Arbeitnehmer muss nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzen.
  • Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzeigen.

* zur gesetzlichen Neuregelung siehe unten Ziffer 8

3. Welche Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Grundsätzlich kann Kurzarbeit nicht für Arbeitnehmer eingeführt werden, die nicht versicherungspflichtig beschäftigt sind.  Dies sind z. B. geringfügig Beschäftigte gemäß § 8 SGB IV (sog. Minijobber) und Werkstudenten. Darüber hinaus erhalten arbeitsunfähige Arbeitnehmer dann kein Kurzarbeitergeld, wenn sie keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung haben. Zudem darf das Arbeitsverhältnis weder (wirksam) gekündigt sein, noch darf ein Aufhebungsvertrag zwischen den Arbeitsparteien geschlossen worden sein.

4. Sind bei der Einführung von Kurzarbeit Fristen zu beachten?

Besteht eine rechtliche Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit, ist die in der Rechtsgrundlage bestimmte Ankündigungsfrist zu beachten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom  19.01.2011 –17 Sa 2153/10). Wird individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass Kurzarbeit eingeführt wird, kann selbstverständlich auch bestimmt werden, dass die Kurzarbeit ab sofort gilt.

5. Gibt es eine Begrenzung bezüglich des Umfangs der Kurzarbeit

Nein, grundsätzlich gibt es hinsichtlich des Umfangs der Kurzarbeit keine Beschränkung. Es ist also auch die Einführung von „Kurzarbeit null“ möglich. Allerdings können in der rechtlichen Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) Einschränkungen bestimmt sein.

6. Wie hoch ist das von der Agentur für Arbeit gezahlte Kurzarbeitergeld?

Das Kurzarbeitergeld beträgt gemäß § 105 SGB III für Arbeitnehmer ohne Kind pauschal 60% und für Arbeitnehmer mit Kind pauschal 67% des entfallenen Nettoentgelts. Zu berücksichtigen sind allerdings nur  Kinder im Sinne von § 32 Abs. 1, 3 – 5 EStG. Maßgeblich ist grundsätzlich die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte.

7. Ist der Arbeitgeber verpflichtet, Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zu leisten?

Eine gesetzliche Zuschusspflicht gibt es nicht. Eine Pflicht zur Zahlung eines Zuschusses kann sich jedoch aus der vertraglichen Grundlage für die einseitige Einführung von Kurzarbeit ergeben. Insbesondere in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen ist oftmals eine Pflicht zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bestimmt.

8. Was ändert sich durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld?

Zunächst hatte der Gesetzgeber beabsichtigt, in dem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ Erleichterungen zur Einführung von Kurzarbeit zu bestimmen. Aufgrund der Corona-Krise sind die Neuregelungen zur Kurzarbeit nun jedoch kurzfristig in einem eigenen Gesetz bestimmt worden – dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld.  Das Gesetz ist am 13.03.2020 verabschiedet und am 14.03.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. I S. 493 f.). Es ist am 15.03.2020 in Kraft getreten.

Gemäß dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld wird die Bundesregierung für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ermächtigt, durch Rechtsverordnung

  • abweichend von § 96 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 SGB III den Anteil der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 % herabzusetzen;
  • abweichend von § 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 SGB III auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden („Minusstunden“) zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise zu verzichten;
  • eine vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, einzuführen;
  • das in § 11 Absatz 4 Satz 2 SGB III geregelte Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Vereinbarung von Kurzarbeit für den Arbeitsausfall und für die Dauer aufzuheben.

Die Bundesregierung hat aufgrund der Corona-Krise von den Verordnungsermächtigungen bereits vollumfänglich Gebrauch gemacht.

Haben Sie Fragen zur Einführung von Kurzarbeit? Melden Sie sich einfach telefonisch oder per E-Mail. Wir unterstützen Sie gerne.

Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht