Das höchste deutsche Zivilgericht hat am 01.März 2012 ( III ZR 83/11) eine weitreichende Entscheidung im Verbraucherrecht getroffen. Zu Grunde lag eine im Jahr 2006 abgeschlossene Lebens- und Rentenversicherung vermittelt durch einen Versicherungsmakler. Der Vermittler hatte den Verbraucher über die Möglichkeit des Widerrufs, die Folgen des Widerrufs sowie die Widerrufsfrist von zwei Wochen und den frühestmöglichen Beginn des Fristlaufs belehrt.
Der Bundesgerichtshof hat sich auch mit anderen Formulierungen auseinandersetzen müssen und beispielhaft am 28.06.2011 (XI ZR 349/10) entschieden, dass die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ widersprüchlich ist: der Verbraucher könne nicht erkennen, ob weitere Voraussetzungen hinzutreten müssten und um welche es sich ggfs. handelte – damit war der Fristbeginn für den Verbraucher nicht bestimmbar.

Widerrufsbelehrung

Jeder Verbraucher ist bei Abschluss eines Verbraucherkreditvertrags über sein gesetzlich geregeltes Widerrufsrecht zu belehren. Hinsichtlich Art und Umfang der Widerrufsbelehrung hat es in den letzten Jahren erhebliche Entwicklungen gegeben – Richtschnur ist, dass der Verbraucher erkennen können muss, wie er sein Widerrufsrecht ausübt, wie lange die Frist zur Ausübung des Widerrufs dauert und – insbesondere – wann dieses Frist beginnt und endet.
Auch die Berufung auf die Schutzwirkung des Musters in Anlage 2 zu § 14 BGBInfoV erhielt die Wirksamkeit der Belehrung nicht: die darlehensgebende Bank hatte die Musterbelehrung weder inhaltlich noch in ihrer äußeren Gestaltung unverändert übernommen.

Rechtsfolge fehlerhafter Belehrung

Folge der fehlerhaften Belehrung ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist noch möglich ist.
Durch Ausübung des Widerrufs entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis, jede Partei ist verpflichtet, der anderen die erhaltenen Leistungen zurückzuerstatten: die Bank erhält die Darlehenssumme, einen angemessenen, marktüblichen Zins (dieser wird anhand der Zinsstatistik der Europäischen Zentralbank ermittelt) und evtl. Bearbeitungskosten, der Darlehensnehmer zahlt das Darlehen zurück und erhält die überzahlten Zinsbeträge sowie Bearbeitungsgebühren (sofern unwirksam vereinbart).
Für den Verbraucher ergeben sich daher folgende Vorteile:

– Die Vorfälligkeitsentschädigung entfällt, sofortiger Ausstieg aus dem Vertrag möglich;
– Darlehenszins wird durch den marktüblichen Zins ersetzt – begrenzt auf den Sollzins;
– Die Bank verzinst „überzahlte“ Zinsleistungen;
– Das Folgedarlehen kann zu den aktuellen niedrigen Zinshöhen abgeschlossen werden;

Der Verbraucher muss allerdings auf der anderen Seite berücksichtigen, dass er der Bank die ihm gewährte Darlehenssumme innerhalb einer kurzen Zeitspanne (regelmäßig sind nicht mehr als 30 Tage vereinbart) zurückgewähren muss, so dass er vor Erklärung des Widerrufs die Anschlussfinanzierung klären sollte.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das Widerrufsrecht zum 13.06.2014 angeglichen hat – welche Auswirkungen diese Änderung für zeitlich deutlich spätere Widerrufserklärungen für Verträge aus der Zeit davor hat, ist noch nicht geklärt.

Rechte wahren

Viele Kreditinstitute weisen pauschale und unfundierte Anspruchsschreiben der Darlehensnehmer zunächst zurück. Zudem berufen sie sich regelmäßig auf eine angebliche Unbilligkeit der Rückabwicklung. Weiteres Hindernis für die Verbraucher ist häufig, dass vor der Erklärung des Widerrufs eine Anschlussfinanzierung gefunden werden sollte, damit die eigene Verpflichtung aus dem Rückabwicklungsverhältnis – nämlich die vollständige Rückzahlung des Darlehensbetrags – erfüllt werden kann. Hierbei hat es in der Vergangenheit erhebliche Probleme gegeben: einige Banken verweigern die Finanzierung bei Umschuldung. Da jedoch Kreditnehmer regelmäßig für den Grundstückskauf und die Finanzierung eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, sollte die Auseinandersetzung mit der Bank nicht gescheut werden – die Rechtschutzversicherung übernimmt je nach Vereinbarung auch die Anwaltskosten für die Rückabwicklung.

Eine Übersicht über fehlerhafte Widerrufsbelehrungen findet sich in der Tabelle der Verbraucherzentrale Hamburg.

Nach den bisherigen Erfahrungen sind etwa 50-70% aller Widerrufsbelehrungen der im Zeitraum 2002 – 2008 abgeschlossenen Verträge nicht gesetzeskonform. Aufgrund der vielfältigen Änderungen des Gesetzes sowie der BGBInfoV ist jeweils eine konkrete Überprüfung am Einzelfall notwendig.
Sofern Sie nach 2002 einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben und eine Überprüfung wünschen, wenden Sie sich bitte an uns oder an einen anderen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. Die Überprüfung kann zeitnah erfolgen und die mögliche Ersparnis ist hoch.
Für eine Überprüfung, ob auch Ihre Widerrufsbelehrung nicht ausreichend ist, benötigen wir folgende Informationen bzw. Unterlagen:

– die Widerrufsbelehrung und Darlehensvertrag in Kopie
– Aufstellung der bereits geleisteten Zahlungen
– Kopie Ihres Rechtschutzversicherungsvertrags
– Angabe zum Darlehenszweck (Immobilienfinanzierung, etc.)

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